Der 40-jährige Bayer Fred Schreiber lebt seit 15 Jahren in Wien. Gemeinsam mit David Schalko entwickelte er die ORF-Fernsehshows "Willkommen Österreich" und "Sendung ohne Namen".

Als Musiker veröffentlichte er mit dem Trio "Die falschen Freunde" zwei Alben. "Das große Komplott" ist seine erste Soloarbeit. Live-Präsentation am Freitag, 11. 3., in der Galerie Purpur, 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 55, 20 Uhr.

Foto: Pertramer

ORF-Fernsehmacher Fred Schreiber ("Sendung ohne Namen") hat seine Liebe zur Musik wiederentdeckt. Mit Christian Schachinger sprach er über sein Soloalbum "Das große Komplott" und Ernährungstipps in CD-Form.

Standard: Mit "Das große Komplott" haben sie Ihre musikalischen Wurzeln im klassischen Britpop verlassen und arbeiten stilistisch äußerst inhomogen. Wie kommt Fred Schreiber zu seinen Songs?

Schreiber: Ich gehe immer von der Melodie aus und suche, welche Art von Text dazupassen könnte. Und dann wähle ich den Stil. Ein Trinklied, das wie Diese Stadt in Wien spielt, wird zum Walzer. Für melancholische Texte wie "Größer als wir" eignet sich eine Bossa.

Standard: "Dreieinhalb Minuten Rock 'n' Roll" mit dem schönen Reim "Ich glaub, ich find ihn einfach nicht mehr toll" klingt wie eine beherzt im Klischee rockende Studie über Highways und das US-Formatradio. Will hier ein Independent-Musiker fetten Mainstream produzieren?

Schreiber: Mit 20 will man ein Sexsymbol sein, mit 30 will man als Intellektueller gelten. Mit 40 merkt man, dass sich das alles nicht mehr zu 100 Prozent ausgeht. Ich wollte den perfekten Rock-'n'-Roll-Song schreiben. Für meine bescheidenen Verhältnisse ist mir das ganz gut gelungen.

Standard: Geht es in Ihrem für einen Popmusiker bereits ehrwürdigen Alter auch darum, dass der Zugang zur Musik ironischer wird?

Schreiber: Das liegt in meiner Persönlichkeit begründet. Wenn ich eine Zeile schreibe, die möglicherweise sogar positiv klingt, muss ich das sofort brechen. Deshalb ist auf der Platte auch kein Liebeslied zu hören. Ich mache das hundertprozentig nur für mich selbst. Bei allen anderen Sachen, die ich so treibe, ob das nun Fernsehen ist oder früher Radio, ist man in einem System gefangen. Mit dem muss man sich arrangieren. Auch wenn man die magische Schallmauer von tausend verkauften Stück nur knapp durchbricht, ist mir Musik wichtig.

Standard: Ein Ausgleichssport?

Schreiber: Andere in meinem Alter schreiben ein Buch, das sich schlecht verkauft - und sie arbeiten für Zeitungen, in denen sie auch allen möglichen Zwängen unterliegen. Sie denken: Eigentlich würde ich gerne mal einfach nur für mich selbst arbeiten. Das hat mit Genuss zu tun. Wenn ich Musik mache, gibt es keine Deadlines, keine vorgegebenen Inhalte.

Standard: Wird man gelassener, wenn man weiß, dass man von Musik nicht mehr leben kann?

Schreiber: Ich hatte immer Jobs. Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich 900 oder 1200 Platten verkaufe. Ich hole mir heute zur Unterstützung bezahlte Leute ins Studio, weil ich auch nicht mehr an das Bandkonzept glaube. Mit 40 muss man nicht mehr in Proberäumen herumhängen und faule Luft atmen. Ich habe auch keine Zeit mehr, um mich den Befindlichkeiten anderer Bandmitglieder auszusetzen. Dem einen passt das Hotel nicht. Vom anderen kriegst du drei Tage vor einem Konzert einen Anruf, dass er nicht kommt, aber einen Ersatzmann schickt. Das macht keinen Spaß.

Standard: Obwohl es Angebote großer Plattenfirmen gab, haben Sie sich für Ihr formatradiotaugliches Album entschlossen, beim kleinen Wiener Label Problembär Records zu unterschreiben.

Schreiber: Ich war Klinken putzen und habe mich für das kleinste Label entschieden, weil das Umfeld das angenehmste war. Bei den Major Labels wird ein Marketingbudget von 10.000 Euro erstellt. Wenn du die endlich eingespielt hast, verdienst du pro weiterer CD 20 Cent. Das macht doch keinen Sinn. In den Büros der großen Firmen hängen Goldene CDs von Sasha Walleczek herum, auf denen sie Ernährungstipps gibt. Man hat automatisch ein schlechtes Gewissen, wenn man nur Musik macht. Die Möglichkeit, mit Alben Geld zu verdienen, bestand nur kurze Zeit, zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren. Früher holte sich ohnehin der Adel Musiker an den Hof: Schreib mir was Schönes, damit ich abends gut drauf bin. Das Mäzenatentum gibt es heute wieder. Es heißt Raiffeisen.

Standard: Ist es nicht auch angenehm, aus ökonomischer Not keine künstlerischen Rücksichten mehr nehmen zu müssen?

Schreiber: Ich hatte die letzten 15 Jahre in Wien noch nie das Gefühl, dass ich mich verbiegen muss. Meine TV-Geschichten waren für Fernsehverhältnisse relativ kompromisslos. Bis auf Weiteres würde ich daran gern festhalten. Musikalisch bin ich an guten Hooklines interessiert, die man sofort mitpfeifen kann. In keinem Genre, in dem ich tätig bin, wende ich so viel Energie für so wenig Ertrag auf. Im Fernsehen ist das umgekehrt. Es ist ein eitles Medium mit unglaublichem finanziellen Aufwand. Der Fernsehmacher, der aus anderen Motiven als aus Eitelkeit und Geld arbeitet, ist selten.

Standard: Sie selbst scheint es nicht vor die Kamera zu drängen.

Schreiber: Mit zunehmender Dauer des Abends nehmen im Fernsehen Geld und Eitelkeit ab. Bisher ist von mir noch nie etwas im Hauptabendprogramm ausgestrahlt worden.

Standard: Wie hoch ist Ihre Aufmerksamkeitsspanne?

Schreiber: Bei Musik gering. Nach 20 Minuten Rumstehen im Konzert kann die Musik noch so gut sein, ich bewege mich trotzdem Richtung Bar. Die Clubs müssten bestuhlt werden. Meine kommenden Konzerte muss man sich deshalb als Varieté vorstellen, in dem wechselnde Gäste auftreten. Jeder, der bei drei nicht auf den Bäumen ist, spielt mit. Meine Lieder funktionieren zwischen Lagerfeuer- und Bigband-Swing-Arrangements. Das macht gute Songs aus. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2011)