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Minamisanriku wurde zu einem Trümmerfeld. Überlebende des Tsunami in den Ruinen ihrer Stadt, sie müssen sich in Notunterkünfte flüchten.

Foto: EPA/STR JAPAN OUT

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Ein Satellitenbild des Atomkraftwerkes Fukushima I, einen Tag nach dem schweren Erdbeben der Stärke 9,0.

Foto: REUTERS/GeoEye Satellite Image/Handout

Tokio - Die Erklärung von Premierminister Naoto Kan war kurz, aber für japanische Verhältnisse eindringlich: "Unser Land steht der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gegenüber", sagte er am Sonntag. Und: "Ich bin zuversichtlich, dass die Nation diese Situation bewältigen wird."

Grund für Optimismus gab es nach dem schweren Erdbeben und dem verheerenden Tsunami mit wahrscheinlich mehr als 10.000 Toten aber kaum. Eine nukleare Katastrophe im stark beschädigten Kernkraftwerk Fuku- shima, rund 250 Kilometer nordöstlich von Tokio, wurde immer wahrscheinlicher. Auch im AKW Onagawa, wo es unmittelbar nach dem Beben (dessen Stärke inzwischen auf 9,0 korrigiert wurde) zu einem Brand gekommen war, wurde am Sonntag der nukleare Notstand ausgerufen. Grund: die Messung überhöhter Werte von Radioaktivität.

Widersprüchliche Stellungnahmen

In Fukushima kämpften die japanischen Experten nach dem Ausfall des Kühlsystems gegen eine Kettenreaktion mit unabsehbaren Folgen. Wie der Standard in der Japan-Sonderausgabe am Sonntag berichtete, dürfte in Block 1 und Block 3 des AKW bereits eine Kernschmelze eingesetzt haben. Die offiziellen Angaben dazu waren widersprüchlich. Die Bestätigung eines Regierungssprechers von einer "teilweisen" Kernschmelze in Reaktor 3 wurde später korrigiert. In Block 1 hingegen dürfte das Einpumpen von Meerwasser zur Kühlung der Brennstäbe versagt haben, die befürchtete Kernschmelze sei im Gange, hieß es.

Laut Greenpeace sind die Brennstäbe in Reaktor 3 mit Plutonium angereichert. Was im Fall eines Super-GAU bedeuten würde, dass nicht nur radioaktive Strahlung, sondern auch der extrem toxische Stoff freigesetzt werden könnte. Eine Plutonium-Uran-Mischung, sogenanntes Mox, habe einen niedrigeren Schmelzpunkt und könne demzufolge eine Kernschmelze bereits bei niedrigeren Temperaturen verursachen.

In relativer Nähe des AKW Onagawa in der 150 Kilometer entfernten Provinz Miyagi wurde 400-mal höhere Radioaktivität als normal gemessen. Deswegen wurde umgehend die niedrigste Stufe des nuklearen Notstandes verordnet. Gefahr für die Gesundheit von Menschen bestehe nicht, hieß es. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte, die Reaktoren in der Region seien stabil. Man gehe davon aus, dass der Wind eine radioaktive Wolke aus der Provinz Fuku- shima herübergeweht habe. Wie berichtet, war es dort Samstag zu einer Explosion gekommen, nachdem sich im Reaktorgebäude von Block 1 Wasserstoff und Sauerstoff vermischt hatten.

Strom rationiert

Aufgrund der prekären Situation in Japan warnte die Regierung am Sonntag vor einer Energieknappheit, die eine Rationierung des Stroms nötig machen werde. Industrieminister Banri Kaieda forderte vor allem Unternehmen auf, ihren Stromverbrauch auf das "strikte Minimum" zu reduzieren. Bereits am Vortag hatte der Energieversorger Tokyo Electric Power (Tepco), der die Hauptstadt und deren Umgebung versorgt, Privatverbraucher zum Stromsparen aufgerufen.

Tepco werde die von ihm versorgte Region in fünf Abschnitte aufteilen, die im Rotationsprinzip jeweils drei Stunden lang vom Netz genommen werden sollten, teilte die japanische Behörde für Naturressourcen und Energie mit. Diese planmäßigen Einschnitte würden vermutlich mehrere Wochen dauern, sagte Behördenchef Tetsuhiro Hosono. Insgesamt wurden elf der 55 Atomreaktoren in Japan abgeschaltet.

Für die kommenden Tage wurden weitere Beben vorausgesagt. Es gebe eine Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent für Erdstöße "der Stärke 7 oder mehr". Zu allem Überfluss schleuderte am Sonntag im Südwesten Japans auch der Vulkan Shinmoedake wieder Asche bis zu 4000 Meter in die Luft. Der 1420 Meter hohe Vulkan war im Jänner erstmals seit 52 Jahren wieder ausgebrochen. (red, DER STANDARD; Printausgabe, 14.3.2011)