Robert Trappl, Leiter des Österreichischen Forschungsinstituts für Artificial Intelligence, und der NABAZTAG.

Foto: derStandard.at/tinsobin

"Wie weit bist du heute gegangen?" Der Hasenkopf-Miniroboter wird auf Dialoge zu körperlicher Ertüchtigung trainiert.

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"Wir sind immer begierig nach guten Leuten, schreiben oft und immer wieder international aus."

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Opferzeremonie in einem Tempel im antiken Griechenland: Feuer werden entfacht, die Tore öffnen sich automatisch. "Vielleicht das erste kybernetische System", überlegt Robert Trappl, Leiter des Österreichischen Forschungsinstituts für Artificial Intelligence (OFAI) und Präsident der Österreichischen Studiengesellschaft für Kybernetik (ÖSGK).

Regelung und Steuerung

"Kybernetik ist die Lehre von Regelung/Steuerung und Kommunikation im Lebewesen und in der Maschine", definierte Gründervater Norbert Wiener die interdisziplinäre Wissenschaftsdisziplin. Kybernetik und künstliche Intelligenz gehen Hand in Hand, Robert Trappl gilt international als Koryphäe in beiden Disziplinen.

29 Projekte der Europäischen Union haben 25 WissenschaftlerInnen am OFAI seit 1995 realisiert. "Wir sind die Kaiser auf dem Gebiet", zeigt sich der Forscher stolz. Rund 1,5 Millionen Euro wurden an staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt, 7,2 Millionen österreichische Steuergelder wurden dauerhaft nach Österreich zurückgeholt. Damit ist jetzt Schluss. 2011 hat Wissenschaftsministerin Beatrix Karl der Grund-, Anbahnungs- und EU-Kofinanzierung ein Ende gesetzt. "Heute bekommen wir Null", erzählt Trappl. In drei Projekten ist das Institut derzeit Partner, in einem weiteren sogar Koordinator. Internationale Unternehmen ziehen es zur Unterstützung der Entwicklung bei, so befindet sich etwa intelligente Software des OFAI im neuen Beosound 5 von Bang & Olufsen.

"Mehr ausbeuten"

"Rund sieben Prozent Einbußen bei unseren Einnahmen werden wir zwar überleben", zeigt sich Trappl zuversichtlich, "aber unsere Leute müssen sich mehr ausbeuten". Wenn Projekte nicht nahtlos aneinander schließen, gab es für die MitarbeiterInnen eine Übergangsfinanzierung, "heute müssen wir sie in die Arbeitslosigkeit schicken, was den Staat mehr kostet." Alleine schon wegen oben angeführter Kosten-Nutzenrechnung appelliert Trappl an die Regierung wieder mehr Geld in die Wissenschaft und Forschung zu stecken. Eine Angliederung an eine Universität kommt für ihn nicht in Frage. Zu wichtig ist ihm und seinen MitarbeiterInnen die Eigenständigkeit ihres Instituts.

Software für FM4 Soundpark

Wer sich für eine Master- oder Diplomarbeit oder Dissertation im Rahmen eines Projektes am OFAI interessiert, kann aus vier Bereichen wählen: In "Sprachtechnologie" beschäftigt man sich mit Verständnis und Verarbeitung überwiegend geschriebener, aber auch gesprochener Sprache. In "Intelligente Musikverarbeitung und Maschinelles Lernen" geht es um die Analyse von Musikstücken, so kommt die Software des FM4 Soundpark größtenteils vom Institut. "Intelligente Softwareagenten und Neue Medien" widmet sich Computerprogrammen, die selbständig Dinge erledigen sollen "und auch können", wie Trappl betont. So beschäftigt man sich im laufenden Projekt "Learning for Security" mit der Entwicklung von Reaktionsmöglichkeiten angesichts der Fragestellung: Wie kann Kommunikation in Krisensituationen - etwa bei Terrorgefahr - so ablaufen, dass möglichst niemand zu Schaden kommt? Der vierte Zweig am OFAI nennt sich "Intelligente Interaktionstechnologien".

Interaktion mit Robotern

Derzeit wird am OFAI unter anderem am Projekt "Social Engagement with Robots and Agents" (SERA) gearbeitet. "Roboter arbeiten immer mehr mit Menschen zusammen, vor allem in der Pflege, in der Altenbetreuung und am Arbeitsplatz", berichtet Trappl. Wo man sich bislang vorwiegend mit der Physiologie - von der Motorik bis zum "Sehen" - beschäftigte, fragt man sich heute am Institut: Wie entsteht Vertrauen als Grundlage für die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine?

Gesichtsverlust

Ob Pflegeleistungen durch Roboter dem Bedürfnis nach menschlichem Kontakt nicht konträr gegenüber stehe? „Da gibt es große kulturelle Unterschiede. In Japan geht die Pflege von Menschen durch Mitmenschen mit Gesichtsverlust einher. Deshalb werden dort pflegende Roboter gut angenommen", erzählt Trappl. "Bei uns ist das Gegenteil der Fall. Fest steht, dass wir um mechanische Hilfsmechanismen nicht herumkommen, denn wir bekommen, beziehungsweise haben ein Pflegeproblem."

Trappl selbst würde lieber von einem Roboter als von chronisch überfordertem Pflegepersonal gepflegt werden. Natürlich ist Empathie ein großes Thema. "In aktuellen Forschungsergebnissen hat sich gezeigt, Gefühle zu erkennen und darauf zu reagieren, ist wichtig und gut. Sich mit dem Gegenüber zu identifizieren, löst dagegen Fluchttendenzen aus." Es sei bei Robotern vorstellbar, menschliche Gefühle aus Körperhaltung, Mimik, Gestik, Lidschlagfrequenz oder Pupillengröße zu erkennen und anhand von Schemata, welches Gefühl in welcher Situation wahrscheinlich ist, die Lage zu analysieren und adäquat darauf reagieren zu können. "Das heißt aber noch lange nicht, dass das mit Bewusstseinsprozessen zusammen hängt", betont Trappl. Ob ein Computer jemals Bewusstsein erlangen könne, wisse niemand.

Hasenkopf-Roboter

Ob man am Institut auch direkt an Robotern arbeitet? "Unser eigenes kleines Roboterlabor mussten wir aus finanziellen Gründen auflassen, heute nutzen wir die Labore von Partnern", erklärt Trappl. Bis auf eine Ausnahme: Auf den Schreibtischen der OFAI-MitarbeiterInnen steht der NABAZTAG. Der Miniroboter in Form eines Hasenkopfs wird im Rahmen des oben erwähnten SERA-Projekts vom Computer angesteuert und auf Dialoge zu körperlicher Ertüchtigung trainiert: "Wie weit bist du heute gegangen?", fragt er etwa die Bewohner europäischer Testhaushalte. Die Interaktionen von Mensch und NABAZTAG werden gefilmt und vom Projektkoordinator OFAI ausgewertet.

Forscher, Lehrender und Unternehmer in Personalunion

Trappl ist Forscher, Lehrender und Unternehmer in Personalunion: Bis zu seiner Emeritierung 2007 war er als Ordinarius Vorstand des Instituts für Medizinische Kybernetik und Artificial Intelligence der Universität Wien, seit 2004 Medizinische Universität Wien, an denen er weiterhin Pflicht- und Wahlfachvorlesungen hält. 1984 hat er dann das auf Vereinsbasis bestehende "Österreichische Forschungsinstitut für Artificial Intelligence (OFAI)" begründet, welches er seither leitet. Das OFAI ist laut Eigendefinition "ein kleines bis mittleres SME (Anm.: small, medium Enterprise)". 25 WissenschaftlerInnen sind derzeit beschäftigt. Alle in Anstellungsverhältnissen, denn prekäre Dienstverhältnisse kommen hier nicht in Frage. Darüber hinaus ist Trappl Präsident der seit 1969 bestehenden Österreichischen Studiengesellschaft für Kybernetik. Um unerwünschte Allmacht zu vermeiden, stellt er sich einer jährlichen anonymen Wahl.

Multidisziplinarität

Wer am OFAI studiert, weist fachliche Vorbildung aus unterschiedlichsten Richtungen auf: "Überwiegend haben wir hier InformatikerInnen, aber auch LinguistInnen, PsychologInnen, KomponistInnen", betont Trappl die Multidisziplinarität. Und das große "I" angesichts des hohen Anteils an weiblichen WissenschaftlerInnen. Alle wissenschaftlichen MitarbeiterInnen haben bereits mindestens ein Studium absolviert. "Eine Mitarbeiterin ist habilitierte Dozentin für Interface Culture, aber häufig sind es Bachelors, Master und DiplomingeneurInnen, die den Doktor am OFAI machen", berichtet der Institutsleiter.

Sprungbrett

Ob Trappl jungen Menschen angesichts der rigiden Sparmaßnahmen an Bildung und Forschung überhaupt eine Karriere in der Wissenschaft empfehlen kann? "Wir sind immer begierig nach guten Leuten, schreiben oft und immer wieder international aus", betont der OFAI-Chef. Die Laufzeit der Anstellung orientiert sich am jeweiligen Projekt, bezahlt werden die ortsüblichen Gehälter und "es wird kein Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht". Die Belegschaft ist multikulturell: Menschen aus allen Ländern arbeiten am OFAI. "Wir sehen uns als Sprungbrett, denn manche MitarbeiterInnen bleiben sehr lange bei uns, andere werden sofort abgeworben und wieder andere kehren nach Jahren zu uns zurück", beobachtet Trappl eine hohe Fluktuation.

Glück und Liebe

Interessierte StudentInnen, die eine Lehrveranstaltung von WissenschaftlerInnen des OFAI besuchen wollen, bietet sich in Wien an der Medizinischen Uni, am Institut für Linguistik oder Informatik der Uni Wien aber auch an der Kunstuni Linz die Möglichkeit. "IT-Hilfen für Blinde und Hörgeschädigte", "Motivation, Emotion, Bewusstsein", "Persönlichkeitsmodelle" oder "Sprachverarbeitung für Informatiker" sind nur einige von mehreren Vorlesungen und Seminaren.

Darüber hinaus stellte sich Robert Trappl angesichts seiner Emeritierung die Frage: "Was fehlt an Lehrveranstaltungen?" Schnell kam er auf einen Mangel an Glück und Liebe. Beides hat er im Rahmen des Cognitive Science-Studiums an der Uni Wien realisiert. Multidisziplinär und mit vielen GastreferentInnen, versteht sich. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 25.03.2011)