Füllfederzentrale, Fußpflege, Likörstube, Bastlereck, Schuhmoden, Eisenwarenhandlung...  "Nachdem ich 33 Jahre lang in Deutschland gelebt habe, kehrte ich letztes Jahr wieder in meine Heimatstadt Wien zurück", erzählt Thomas Voburka. "Da fiel mir auf, dass es in Wien - anders als zum Beispiel in Köln, wo ich lange Zeit lebte - noch eine Vielzahl von sehr individuellen Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungsbetrieben gibt."

Thomas Voburka/Attila Corbaci

Die Betonung liegt auf "noch". Um "die letzten Überlebenden, Kranke, Dahinsiechende, und ein paar Leichen - schöne Leichen, wir sind ja in Wien" - fotografisch zu erfassen, machte sich das Duo Thomas Voburka und Attila Corbaci auf den Weg. Ein Stück weit begleiten kann man die beiden übrigens auf youtube.

Thomas Voburka/Attila Corbaci

Zwei Herren, zwei Digitalkameras. 23 Tage, 23 Bezirke. "Wochenlang sind wir jeden Tag durch ganz Wien gewandert und haben fotografiert", schildern Voburka und Corbaci ihr Projekt, dessen Ergebnis nun in Buchform vorliegt. "Gute Geschäfte" ist als 160 Seiten starkes Bildbändchen 2011 im Metroverlag erschienen.

Thomas Voburka/Attila Corbaci

Die Voraussetzungen waren optimal: Corbaci spürt als "Location-Scout" Drehorte für Film und Fernsehproduktionen auf. Voburka verfügt über lange journalistische Praxis. Und an Fotomotiven herrschte kein Mangel.

Thomas Voburka/Attila Corbaci

Folgende Eigenheiten des Wiener Geschäftslebens kristallisierten sich heraus: Lange wanderten die beiden Herren durch Wien, ohne eine Fleischhauerei zu finden. Das Wiener Semmerl ist weitgehend verschwunden, dafür gibts noch viele Zuckerlgeschäfte. Pelzhändler, Juweliere und Uhrmacher sind bevorzugt an der Peripherie angesiedelt, während "innerhalb des Gürtels das Bandagisten-Gewerbe blüht, das in der Vorstadt nur eine Nebenrolle spielt", so die Autoren. Und weiter...

Thomas Voburka/Attila Corbaci

... "die reizvollsten Geschäftsexemplare entdeckten wir nicht in den Haupteinkaufsstraßen, sondern oft völlig unerwartet, abseits der glitzernden Touristenpfade, in den düsteren Winkeln der Stadt."

Thomas Voburka/Attila Corbaci

"Die schönsten Leichen" nennen Voburka und Corbaci all jene Geschäfte, die oft schon vor Jahren von ihren Besitzern verlassen wurden, keinen Nachmieter fanden "und nun jene morbide Eleganz und Würde ausstrahlen, die man uns Wienern oft nachsagt."

Thomas Voburka/Attila Corbaci

"Diese Geschäfte sind oft obskur, weil viele Besitzer wohl jahrelang nicht die Schaufensterdekoration änderten und auch keine Renovierungsarbeiten durchführten, und nach landläufigen Kriterien sicher nicht als 'schön' zu bezeichnen", so das Fotografen-/  Autorenduo. "Dennoch strahlen sie eine eigenartige Ästhetik aus, die gleichzeitig auch sehr Wien-spezifisch ist."

Thomas Voburka/Attila Corbaci

"Wir wollten die letzten Verbliebenen der typischen Wiener Geschäftslokale/ -portale und deren nahezu einzigartigen Gestaltungsreichtum dokumentieren. Solange es noch etwas zu dokumentieren gibt. Als bekennende Pessimisten haben wir nämlich so unsere Zweifel", blicken Voburka und Corbaci einer Gegenwart und Zukunft der Handelsketten und Flagshipstores ins Auge.

Thomas Voburka/Attila Corbaci

Der Bildband wird ergänzt durch einen Essay von Wolfgang Müller, durch ein Gespräch mit dem Landeskonservator von Wien, Friedrich Dahm, sowie durch einen Text von Walter Dahn. (red,derStandard.at)

Gute Geschäfte
Attila Corbaci und Thomas Voburka
Durchgehend vierfarbig, gebunden
160 Seiten, € 16,90
Metroverlag

Thomas Voburka/Attila Corbaci