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Erich Foglar: "Wenn von 'langfristiger Sicherung der Sozialsysteme' gesprochen wird, heißt das: Die Kosten sollen runter."

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ÖGB-Präsident Erich Foglar erklärt, warum er den Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit für gefährlich hält. Obwohl Kanzler Werner Faymann dem Deal zugestimmt hat, will er an diesem keine Kritik üben. Die Fragen stellte Günther Oswald.

STANDARD: Warum haben Sie so große Angst vorm Europakt? Er ist ja sehr allgemein gehalten. Löhne sollen sich an der Produktivität orientieren. Aber alles bleibt in nationaler Kompetenz.

Foglar: Das stimmt schon, das ist sehr schwer erkennbar. Aber wenn ein Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit die Entwicklung der Löhne und der Produktivität ist, dann zeigt das schon die Tendenz, wo es hingeht. Dann steht noch, dass man sich an den Leistungsfähigsten orientieren soll. Damit ist ja nicht gemeint, dass Deutschland mehr vom Produktivitätsfortschritt in Form von höheren Löhnen weitergeben soll, sondern Portugal und Spanien sollen runter mit ihren Löhnen.

STANDARD: Trotzdem bleibt alles in nationaler Zuständigkeit.

Foglar: Natürlich, aber wir wissen doch, wie das in der Praxis läuft: Geht man erstmal Verpflichtungen ein, bekommt man Probleme, wenn man die Ziele nicht erreicht. Unsere Grundkritik lautet: Das ist eine Radikalisierung der angebotsorientierten Politik. Wenn von einer Steigerung der Erwerbsbeteiligung die Rede ist, heißt das mehr Ein-Euro- und Zwei-Euro-Jobs und nicht die Nachfrage und Kaufkraft stärken, damit die Kunden etwas kaufen und somit die Unternehmen etwas produzieren können. Und wenn von 'langfristiger Sicherung der Sozialsysteme' gesprochen wird, heißt das: Die Kosten sollen runter.

STANDARD: Aber ist das nicht auch eine Selbstverständlichkeit, dass die Sozialsysteme an die demografischen Entwicklungen angepasst werden müssen?

Foglar: Die Demografie kann natürlich nicht außer acht gelassen werden. Aber der zweite entscheidende Faktor ist der Beschäftigungsgrad. Das ist mindestens genauso wichtig, wie das faktische Pensionsalter zu erhöhen. Wenn ich die Beschäftigung aber nur erhöhe, weil ich die Löhne drücke, bringt mir das für die Finanzierung des Sozialsystems nichts. Am Beispiel Österreich: Wir haben 900.000 Menschen, die Teilzeit arbeiten oder in einem prekären Beschäftigungsverhältnis sind. Die können ins Sozialsystem nicht so viel einzahlen wie ein normaler Vollzeitbeschäftigter. Wir müssen also schauen, dass wir die Menschen länger und gesund arbeitsfähig halten.

STANDARD: Gegenüber ersten Entwürfen wurde einiges abgeschwächt. Da Sie aber noch immer massive Kritik üben, hätten Sie von Kanzler Werner Faymann ein Veto verlangen müssen. Sind Sie milde, weil er ein Parteifreund ist?

Foglar: Das hat damit nichts zu tun. Aber wir haben eine realistischen Blick. Wir wissen, dass dort eine Menge Staaten sitzen, die andere Interessen verfolgen. Wir haben einen Regierungschef, der Verständnis für unsere Anliegen hat und sich dafür eingesetzt hat. Österreich wird sich aber nicht alleine rausstellen können. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.3.2011)