Die Stadtspionin will unerkannt bleiben. Doch dafür verrät Sabine Maier ihre Liebe zur bunten Designbewegung Memphis. Links ein Teil des runden Gemäldes.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Sabine Maier ist "Die Stadtspionin". Während sie in ihren Newslettern die buntesten Orte Wiens verrät, zeigte sie Wojciech Czaja die buntesten Möbel ihrer Wohnung.

"Direkt vor dem Haus steht ein wunderschöner Baum. Ich kann mich erinnern, wie meine Katze eines Tages mit einem ziemlichen Schwung durchs Katzengitter durchgefetzt ist, weil sie unbedingt auf den Baum springen wollte. Na ja, sie landete auf dem Gehsteig. Der Katze ist kaum etwas passiert, abgesehen davon, dass sie sich ihren Eckzahn piercingmäßig durch die Unterlippe gestoßen hat. Aber ich glaube, sie hat's einfach nicht mehr so lange an einem Ort ausgehalten.

Ich wohne in dieser Wohnung schon seit zwölf Jahren. Für meine Verhältnisse eine Ewigkeit! Ich bin in meinem bisherigen Leben schon 18-mal umgezogen – meist habe ich nicht nur die Wohnung gewechselt, sondern auch die Stadt. Ich bin eine ausgefuchste Nomadin. Bei mir ist nicht Wohnen das vordergründige Thema, sondern Umziehen.

Das schlägt sich natürlich auch in den Möbeln nieder. Ich habe ein einziges Mal in meinem Leben ein Einbauregal von einem Tischler maßanfertigen lassen. Das mache ich nie wieder! Erstens ist das unglaublich teuer, und zweitens ist das Ding beim nächsten Umzug komplett nutzlos.

Heute lebe ich mit lauter Möbelstücken, die entweder zusammenklappbar oder leicht demontierbar sind. Der Schreibtisch besteht aus einer Holzplatte, einer Glasplatte und zwei metallenen Vogelbeinen. In wenigen Minuten ist alles demontiert. Beim Esstisch kann man die Beine abschrauben und in der Lade des Tisches verstauen. Und die Regale sind sowieso nur noch 'Billy' und 'Expedit'. Tischlertrauma!

Nur mein heiß geliebtes, grün-türkises Bild hat sich beim Übersiedeln jedes Mal als kompliziert erwiesen. Das ist Öl auf Leinen, aufgespannt auf einen großen, kreisrunden Rahmen. Es stammt von Massimo Iosa Ghini, einem italienischen Architekten und Designer, der damals zusammen mit Ettore Sottsass bei der Designbewegung Memphis dabei war.

Es ist so groß, dass es bei den Übersiedlungen immer Schwierigkeiten gab. Einmal mussten wir sogar den Putz im Stiegenhaus abschlagen, um das große Teil um die Ecke zu bringen. Die Umzugsleute haben dann eine glorreiche Idee gehabt: Sie haben den Holzrahmen in der Mitte einfach auseinandergesägt. Seitdem kann das Bild bei jedem Umzug wie ein Sandwich in der Mitte zusammengeklappt werden. Im Dorotheum in hundert Jahren wird man sich wundern.

Ich steh auf Memphis! Wie man in meiner Wohnung unschwer erkennen kann, brauche ich die vielen bunten Farben um mich herum. Das ist wie Sonnenschein auf den Stühlen. Memphis hat etwas Kindisches, aber auf eine ziemlich subversive Art. Der Sottsass war eben ein bunter Hund.

Die Stadtspionin ist nicht zuletzt dafür bekannt, dass jeder Newsletter eine eigene Tapete hat. Farben und Muster sind für mich nach wie vor überlebenswichtig. Ich finde, dass sie Leichtigkeit in den Alltag bringen und dass man sich damit gegen den Nebel wappnen kann – im wörtlichen und im übertragenen Sinn.

Manche Leute kommen bei mir rein und sagen: 'Hier schaut's aus wie auf dem Spielplatz! Bist du jetzt nicht schon zu alt dafür? Findest du nicht, dass du langsam etwas ändern solltest?' Nein, ich finde nicht, dass ich irgendetwas daran ändern sollte. Ich werde noch mit 90 so wohnen wie ein bunter Vogel. Nur die Wände sind weiß. Das ist der logistische Kompromiss einer Stadtnomadin.

Demnächst werde ich wieder übersiedeln. Ich suche eine Wohnung oder Haus mit eigenem Garten. Und wenn er noch so winzig ist: Ich will endlich meine eigenen Radieschen anbauen. Das ist jetzt eine offizielle Suchanzeige! Aber keine Angst: Die Stadtspionin bleibt in Wien. Es gibt noch genug zum Ausspionieren in dieser Stadt." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.3.2011)