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Nach Feierabend wird es schnell still in der Altstadt von Cáceres. Um den Unesco-Schutz nicht zu verlieren, sollen jetzt die Mauern im wörtlichen und im übertragenen Sinn geöffnet werden.

Foto: Stefano Amantini / Phototravel / Corbis

Anreise: Von Madrid per Zug oder Leihwagen über die Schnellstraße E-90 (Carretera de Suroeste). Cáceres liegt 300 Kilometer südwestlich von Madrid und 300 Kilometer nördlich von Sevilla.

Unterkunft: Atrio Restaurante Hotel (Relais Châteaux) ist ein neu eröffnetes 5-Sterne-Haus mit 2-Sterne-Restaurant in der Altstadt. Plaza San Mateo, 1, 10003 Cáceres, Tel.: 0034/92/724 29 28, info@restauranteatrio.com

Allgemeine Infos zur Region:
http://turismo.ayto-caceres.es

www.turismoextremadura.com

Foto: wikipedia.org, Im Bild: Plaza Mayor in Cáceres.

Foto: wikipedia.org

Seit 25 Jahren geschützt, seit 500 Jahren unverändert. So knapp könnte man den Zustand und das Problem des spanischen Städtchens Cáceres umschreiben. 90.000 Menschen leben dort, doch nicht alle passen in den von der Unesco protegierten Kern. Dort sind weniger als ein Drittel der Cacereños gemeldet. Zwischen dicken Mauern, engen Gassen und hohen Türmen leben alte Leute, Nonnen und ein paar Erben der Conquistadores, jener Eroberer, die im Namen der katholischen Könige von der Stadt nach Lateinamerika zogen, um dort spanische Vizekönigreiche zu gründen. Nach ihrer Rückkehr wurden sie belohnt, mit Titeln, Ländereien und Häusern. Ihre Paläste sind auf Blut gebaut, und wer an ihnen vorbeigeht, den schaudert tatsächlich ein bisschen, denn in der Altstadt ist es meist kühl und schattig. Ob man den Reichtum aus kolonialer Ausbeutung zum Weltkulturerbe erklären sollte - das ist eine Frage, die Cáceres nicht zu belasten scheint.

Die Stadt hat andere Sorgen: Sie hat ein Image zu verlieren. "Kenn ich schon", hören Reiseveranstalter immer öfter, wenn sie Cáceres ihren Kunden als Ziel einer Kurzreise vorschlagen. Das klassische Profil des Besuchers lautete bisher: Spanier auf Kultur- und Naturtrip durch die Extremadura, eine der dünnstbesiedelten Gegenden Europas an der Grenze zu Portugal. Kloster Yuste, Kloster Guadalupe, mittelalterliche Stadt Mérida, Nationalpark Monfragüe, das sind beliebte Reiseziele neben Cáceres. Rund eine halbe Million Menschen besuchte sie vergangenes Jahr. In Cáceres blieben sie durchschnittlich 1,9 Nächte. "Einmal durchlaufen reicht", denken viele, während sie ihr langes Wochenende planen.

Der Stadt reicht das nicht. "Rein rechnerisch ist der Unesco-Status ein Minusgeschäft", sagt Fernando Torres, Stadtrat für Tourismus in der Provinzhauptstadt. Die Bewohner arbeiten entweder in der Verwaltung oder im Tourismus, wenn sie nicht zu jenen 20 Prozent gehören, die ohne Beschäftigung sind. Cáceres war eine der ersten Städte im Land, deren Kern 1986 unter internationalen Schutz gestellt wurde, neben Granada, Córdoba, Santiago, Segovia, Ávila, Toledo und Salamanca. Nun scheint es, dass das Unesco-Label nicht mehr reicht. Der Besucherstrom wird dünner. Deshalb will Torres die Altstadt, die von den Mauren im 12. Jahrhundert begründet und von den Christen im 16. Jahrhundert erweitert wurde, öffnen, im übertragenen und wörtlichen Sinn. Denn will Cáceres den Unesco-Schutz nicht abgesprochen bekommen, muss es sein Erbe besser nutzen, es mit Inhalt füllen, ihm eine Bedeutung zuweisen, so wie es in dem Vertrag steht, den die Stadt unterschrieben hat.

Nicht dass ihre Mauern bröckeln oder die Fassaden ergrauen würden. Alles ist adrett: die beiden ehemaligen Judenviertel, die zehn Kirchen und Klöster, der arabische Wasserspeicher, die sieben Museen, die Plätze, Pflaster und Gassen, durch die vor allem während der Osterwoche Besucher spazieren. Man kann sich in dem dicht zusammengedrängten, kleinen Stadtzentrum in das Leben der Menschen des 16. Jahrhunderts hineinversetzen und sogar das arabische Erbe von Cáceres spüren. Doch die Altstadt ist klein, in 20 Minuten hat man sie umrundet, in zehn durchquert. Was dann?

Will man erfahren, wer hinter den großen, verzierten Holztoren gelebt, wer die Steintreppen betreten, den Springbrunnen gelauscht hat, der findet heute kaum Spuren, denn die meisten Paläste sind verschlossen. Man würde gerne öfter eintreten und dunkle Ahnengalerien an den Wänden betrachten, die die Familien in Spaniens Geschichte einordnen. Doch viele Paläste stehen leer, werden zum Verkauf angeboten, weil sich die Erben den Erhalt der großen Häuser nicht leisten können. In anderen sind Verwaltungsbüros. Am Nachmittag, nach Feierabend, herrscht Totenstille in der Altstadt. Wahrend der Reconquista war die maurische Stadt bei den Christen als "die Unzugängliche" bekannt - auch heute könnte man ihr diesen Namen verleihen.

Fernando Torres, der seit 2007 im Amt ist, will mehr Paläste zur Besichtigung öffnen, ein Wegenetz rund um die Stadt ausschildern, das durch das Vogelschutzgebiet führt, die Regionalküche bewerben und die Stadt auf internationalen Messen stärker vorstellen. Er will Gäste aus dem Ausland und kaufkräftige Touristen anlocken, besonders Jäger, die in den umliegenden Bergketten Wildschweine, Hirsche und Rehe erlegen können. Das erste Fünf-Sterne-Hotel der Altstadt hat gerade eröffnet, "ein denkmalschützerischer Hürdenlauf", sagt Betreiber Toño Pérez im Rückblick.

Stadtrat Torres muss auf solche Privatinitiativen bauen. Sein Budget für Tourismus liegt bei rund einer Million Euro, von der knapp die Hälfte in routinemäßige Pflege der Altstadt fließt. Will die Stadt einen der historischen Paläste kaufen, um ihn zu renovieren und den Besuchern zugänglich zu machen, muss sie Subventionen bei der Regionalregierung und in Brüssel beantragen - ein mühsames Geschäft in Zeiten der Wirtschaftskrise. Doch andererseits, was wäre Cáceres ohne die Unesco? "Wir hätten den Anschluss an die Welt verpasst", sagt Torres. Gesellschaftlich lohne sich die Auszeichnung sehr wohl, denn "die Unesco hat unsere Köpfe geöffnet und uns die Tür zur Welt aufgestoßen." (Brigitte Kramer/DER STANDARD/Printausgabe/26.03.2011)