Bild nicht mehr verfügbar.

Das Musikzimmer von Franz Liszt wurde in seiner zweiten Weimarer Phase (ab 1869) zur Pilgerstätte für Klavierschüler aus aller Herren Länder. Der Lehrer verlangte übrigens keine Honorare.

Foto: APA/Reichel

Rastlos raste der Klaviervirtuose im 19. Jahrhundert lange Jahre Hysterie auslösend durch Europa - so könnten wohl dutzende Städte im diesem Franz-Liszt-Jahr authentische Beiträge zu jenen Feierlichkeiten beisteuern, die am 22. Oktober (200. Geburtstag) ihren vom Kalender verordneten dramaturgischen Höhepunkt erreichen werden.

Das schmucke Städtchen Weimar allerdings war mit Liszt mehr als eine flüchtige Liaison vergönnt. Hier ließ er sich als Hofkapellmeister (1848 bis 1858) nieder. Hier dirigierte er Innovatives, hier schrieb er einen beträchtlichen Teil seiner Werke, hier brachte er auch Wagners Lohengrin zur Uraufführung und reaktivierte mit Musikmitteln somit Teile jenes internationalen Glanzes, den Weimar nach dem goldenen Goethe-Zeitalter vermisst hatte. Liszt lebte hier zweifellos seine visionäre Seite aus:

Es gab sogar Pläne, Wagners Ring des Nibelungen in einem neu zu errichtenden Festspielhaus aufzuführen, was dann schließlich bekanntermaßen erst in Bayreuth gelang. In die Gunst der großherzoglichen Familie, die den "Werbeeffekt" durch Liszts Präsenz sehr zu schätzen wusste, mischte sich allerdings in jener Zeit auch ein gehöriges Maß an öffentlicher Feindseligkeit, die schließlich zum Rückzug aus Weimar führte:

Am 15. Dezember 1858, bei der Uraufführung von Peter Cornelius' Oper Der Barbier von Bagdad, kam es zum Eklat. Die von Liszt geleitete Aufführung geriet durch lautstarke Proteste zum Skandal - danach zog sich Liszt aus seinen Funktion zurück und reiste schließlich 1861 mit seiner Herzensdame, Carolyne von Sayn-Wittgenstein, endgültig nach Rom.

Einige Jahre später gelang es Großherzog Karl Adam dann Liszt zumindest für die Sommermonate zurückzuholen. Allerdings kehre Liszt nicht in die Villa Altenburg zurück; man richtet ihm vielmehr eine Wohnung in der Hofgärtnerei ein und gab sich offenbar große Mühe: "Man hat mir erzählt, dass die Frau Großherzogin und die Prinzessinnen sich umständlich mit der Auswahl der Teppiche, der Vorhänge usw. beschäftigt hatten. Tatsächlich ist diese Wohnung von ,wagnerischem' Luxus, an den man in dieser guten Stadt Weimar nicht gewöhnt ist", schrieb Liszt an seine Carolyne von Sayn-Wittgenstein. Würde der Universalist seine Wohnung heute wieder betreten, er könnte einiges wiedererkennen und auch über den intakten Zustand jenes Domizils am westlichen Eingang des Parks an der Ilm staunen, das zur Pilgerstätte von Klavierschülern wurde.

Das Haus wurde restauriert, das Obergeschoß, in dem Liszt weilte, wurde nach Farbbefunden der Liszt-Zeit aufgehübscht, und es bietet auch Begegnungen mit auratisch aufgeladenen Originalgegenständen. Unter den zahlreiche persönlichen Liszt-Zeugnissen ist etwa ein schwarzpolierter Konzertflügel, der Liszt von der Firma Bechstein zur Verfügung gestellt worden war. Auch ein Klavier der Firma Ibach, zudem Notenwagen und Quartettpulte. Natürlich sieht man auch Seltsames wie ein Bronzemodell der Wartburg und eine Totenmaske Ludwig van Beethovens, die Liszt zeitlebens stolz aufbewahrte. Im letzte Raum, dem einstigen Dienerzimmer, findet man schließlich nebst Briefen auch jene stumme Tastatur, die Liszt auf Reisen zu Übungszwecken traktierte.

Der multimediale Liszt

Umrahmt wird die historische Wirkung durch eine Ausstellung im Erdgeschoß, die Liszt auch multimedial in seiner Vielseitigkeit erfasst. Natürlich ist auch hier, etwa mit dem Abguss von Liszts rechter Hand, ein - bei Bedarf - kultaffiner Umgang mit dem Künstler möglich.

Weimar will allerdings auch versuchen, Liszt an die Gegenwart anzubinden: Nike Wagner, Ururenkelin von Liszt und Chefin des Kunstfestes Weimar (ab 19. August), hat bei sieben Komponisten aus "Liszt-Ländern" neue Werke in Auftrag gegeben. Das wäre wohl im Sinne dieses zukunftsbesessenen "musicien voyageur" (Nike Wagner), den die 2011-Rückblicke auf seine Vita womöglich ein wenig zu opulent vorkämen. (Ljubisa Tosic aus Weimar/DER STANDARD, Printausgabe, 30. 3. 2011)