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EU-Außenministerin  Catherine Ashton - im Bild auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar - sucht eine außenpolitische Linie
für die Union.

Foto: Reuters/Michael Dalder

Das European Council on Foreign Relations, ein vor allem in London ansässiger Thinktank, hat erstmals ein Zeugnis für die europäische Außenpolitik verteilt. Die Bewertung ergab einige Überraschungen und viel Mediokrität. 

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London/Wien - Vom Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages im Dezember 2009 bis dato war Schonzeit. Die ist nun vorbei: Die europäische Außenpolitik bekommt ein Zeugnis. Das renommierte European Council on Foreign Relations hat in einer "Scorecard" bewertet, wie erfolgreich die EU "ihre Interessen verfolgt und ihre Werte in der Welt vertritt". Dem Standard und einigen anderen europäischen Zeitungen liegt der Zeugnisbogen vor. 40 Forscher in allen 27 Mitgliedstaaten haben 80 Politikfelder bewertet, am Donnerstag wird das Ergebnis präsentiert.

Die Autoren nahmen keine Rücksicht auf die Unterscheidung zwischen EU-Institutionen und Mitgliedestaaten, weil Bürger und Partner das auch nicht tun. Gefordert wird auch nicht eine zentralisierte, wohl aber eine gemeinsame und koordinierte Außenpolitik. Die Bewertung erfolgte im angelsächsischen Schulnotensystem von der Bestnote A bis zum E.

Gehemmt hat die europäischen Außenpolitiker 2010 generell die Eurokrise, dadurch hatten die Union und ihre treibenden Kräfte einen "geoökonomischen und keinen geopolitischen Fokus". Daneben waren die neu geschaffenen Institutionen - Stichwort Europäischer Auswärtiger Dienst - vor allem mit sich selbst beschäftigt. Daraus ergab sich für die Studienautoren eine mangelnde strategische Ausrichtung der Agenden und etwa die komplette Verdrängung der Nachbarschaftspolitik.

Miserabel schnitt die EU in der Menschenrechtspolitik gegenüber China (D+), den Beziehungen zur Türkei (D+) sowie der Unterstützung für die Medienfreiheit in Russland (C-) ab. Bestnoten erhielt sie für die Kooperation mit den USA in Sachen Iran und Terrorismus sowie für die Visaliberalisation für den Balkan (jeweils A). Ganz gut wurden multilaterale Politik und EU-Krisenmanagement bewertet, durchwachsen die generellen Beziehungen zu China und Russland. Fehlende Einigkeit und die Unfähigkeit der Union, Ressourcen in Macht umzuwandeln, gelten als Grundsatzmankos.

2011 sehen die Autoren "Europas zweite Chance" kommen. Prüfstein der EU: die arabischen Revolutionen. (pra/DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2011)