Hans-Peter Falkner (li.) und Markus Binder sind das Duo Attwenger: "Skeptizismus als hohle Haltung wäre deppert."

Foto: Gerald von Foris

Gefragt hat Karl Fluch.

Standard: Das Cover Ihres neuen Albums ist ausnehmend hässlich. Wie ist das denn passiert?

Binder: Ja, da hätte es noch ein paar Arbeitsgänge gebraucht, das stimmt. Da kann ich nicht widersprechen.

Falkner: Mir gefallt's.

Standard: Ungeachtet der gelbblauen Verpackung ist es Ihr abwechslungsreichstes Album. Sogar ein Rock-'n'-Roll-Song ist drauf.

Falkner: Das ist eine Zustandsfrage. Jetzt machen wir das so. Kann sich aber auch wieder ändern.

Standard: Welchem Zustand ist das geschuldet?

Falkner: Na, Shakin My Brain ist so ein Rock-'n'-Roll-phasiges Ding, und das hat sich dann verändert. Es sind aber schon so Stücke drinnen, die Kracher sind, in denen es - vereinfacht gesagt - ums Einidreschen geht. Das war Absicht.

Standard: Wie passt das zum Albumtitel "Flux"?

Binder: Wir sagen nicht, das Album heißt Flux, und die Songs müssen dann so und so klingen. Es geht darum, einen lässigen Titel zu finden, einen, der - fluxt. Der muss nicht herleitbar sein. Flux klingt nach etwas, das schnell passiert. Dabei hat es fünf Jahre gedauert, bis das Album fertig war.

Standard: "Flux" ist formal breiter als Ihre bisherigen Alben. Ist Ihnen das Korsett Ziehharmonika und Schlagzeug zu eng geworden?

Binder: Nein, dieses "reduced to the max" ist ja das Interessante. Jetzt spielen wir damit halt plötzlich eine Rock-'n'-Roll-Nummer, und es wirkt, als sei das selbstverständlich. Das ist der Trick von Attwenger. So gesehen gibt es noch einiges, was man ausprobieren könnte.

Falkner: Wir haben uns eh immer geöffnet, mit dem Fred Frith oder dem Harri Stojka gespielt. Jetzt halt auch mit dem Wolfi Schlögl. Das passiert, wenn sich's ergibt. Man tut Leute dazu und wieder weg. Dass uns damit noch nicht fad ist, merkt man am besten beim Live-Spielen.

Standard: Attwenger reibt sich traditionell an den Verhältnissen. Kann die Kunst mit dem Leben noch mithalten?

Falkner: Ja, aber es ist ratsam, Stücke wie Kaklakariada zu machen, das in neun Jahren nichts an Aktualität eingebüßt hat. Wenn das auf Flux drauf wäre, würd's nicht auffallen. Hätten wir damals die politische Schattierung erwähnt, wäre es heute überholt. Wennst es schaffst, dass man das so hinbiegt, dann ist es zeitlos.

Standard: Dieses Reiben zeitigt mitunter lustige Ergebnisse. Im Lied "Probekeller" sperren Sie einen Musikmanager in ein Kellerverlies. Sehr österreichisch.

Binder: Ja, Verlies und Österreich gehört mittlerweile zusammen: da passiert was, im Keller. Aber ihm geschieht eh nichts. Wir tun ihm nichts, und er wird am Ende mit hohem Lösegeld freigekauft. Das zahlt die Versicherung. Und hat mit einem Musikmanager weniger Mitleid als mit Kindern, oder?

Falkner: Diese Geschichte ist quasi erlebte Poesie, weil das stimmt ja alles. Da sind mehrere Geschichten ineinander verwoben: Da gibt's auch die, wo ein Typ Geld vergräbt. Wir haben in Jakarta einmal George Clinton getroffen, und sein Manager hat uns dann die Geschichte erzählt, dass Clinton einmal so viel Geld gehabt hat, dass er es hinterm Haus vergraben hat. Aber er hat kein Plastiksackerl genommen. Die Würmer haben's gfressen. Pech.

Standard: Die neuen Texte klingen sehr lustvoll, ist das eine Form von Altersmilde?

Falkner: Spiellust, das sagen alle, und das stimmt, das stell ich auch fest. Ich horch mir das Album ja auch an und versuch das als Nicht-Attwenger zu hören. Man merkt, die haben eine Lust dabei, das macht die Musik geschmeidig.

Standard: Ist Altersmilde da keine Zutat?

Binder: Ich hoffe nicht. Das klingt ja nach Demenz. Und so sind die Texte nicht. Mir kommt vor, es geht um direktere, zwischenmenschliche Fragen, die in den Texten behandeln sind. Aber die sind deshalb nicht milder im Ton. Die Sache ist: Wennst älter wirst, kommt man mit einem anderen Impetus daher, nicht mehr mit der jugendlichen Wildheit. Es wird vielleicht reflektierter, aber nicht unscharf. Eher präziser. Früher war ich halt gegen alles, heute bin ich da vorsichtiger, weil so absolute Ansprüche halt oft auch nicht stimmen.

Standard: Attwenger zeichnet aber schon eine gewisse Renitenz aus.

Binder: Schätze schon, aber nicht um der Renitenz willen, sondern es soll eine berechtigte Renitenz sein. Bei dem neuen Album dreht sich vieles um alltägliche Dinge, wo es auch zu Renitenzen kommen kann.

Standard: Diese Haltung kommt aus Ihrer Sozialisierung im Linzer Punk, später kam HipHop dazu. Wie wichtig sind Punk und HipHop heute für Sie?

Binder: Man muss die Dinge in ihrer Zeit sehen. Punk kann heute nicht mehr sein, was er 1976 war. Wäre auch doof, wenn das alles heute noch so gültig wäre. Heute ist es ein Begriff aus der Musikgeschichte. Alles hat sich verändert. Was mich am HipHop interessiert hat, ist dieses Talking-Drum-Ding. Dieses Sprechen im Rhythmus, das Rhythmische an der Sprache, das durch das Betonen einen Flow kriegt. So werden die Dinge, über die man spricht, sexier, also interessanter. Sexy ist interessant. Da bezieht sich aber HipHop schon auf Tradtionen, die es bereits gab - im Blues und so. So singen und reden macht die Welt verständlicher und erträglicher.

Falkner: Punk war als Haltung schon super, das vermiss ich heute. Alles ist bequem geworden: wird scho irgendwie. Haltung ist da nicht mehr so gefragt. Unsere hört man aber noch. Wir überprüfen uns da auch, schau'n, dass das für uns passt. Auch wenn du jetzt sagt, das Cover ist sauschiarch.

Binder: Man darf halt den Skeptizismus von Punk nicht als hohle Haltung aufrechterhalten, das wäre deppert. Man muss seine Skepsis schon auf Substanz überprüfen. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.3.2011)