Die SPÖ soll jetzt den Karren aus dem Dreck ziehen. Für die ÖVP. Immer mehr Funktionsträger in der Volkspartei setzten ihre Hoffnungen in den Koalitionspartner und in die gemeinsame Regierungsarbeit. Wenn dort etwas weiterginge, so die flehentliche Bitte, dann ginge es auch mit ihnen selbst wieder aufwärts.

Wenn es noch eines Beleges bedurft hätte: Die ÖVP befindet sich wirklich in einer verzweifelten Lage, wenn sie jetzt auf Werner Faymann und die SPÖ baut.

Aus der ÖVP kommen ja durchaus unterschiedliche Signale, was die Zusammenarbeit auf Regierungsebene betrifft: Einerseits wird beklagt, wie sehr die SPÖ Kampagnen fährt. Die Gerechtigskeitskampagne aus dem vergangenen Jahr etwa, die die ÖVP auf dem falschen Fuß erwischte. Damit ist es der SPÖ tatsächlich gelungen, das Profil zu schärfen. Die ÖVP hat nicht einmal ein Thema gefunden, mit dem sie ein solches Unterfangen ausprobieren hätte können.

Dann startete die SPÖ die nächste Kampagne, Hand in Hand mit der Kronen Zeitung: Abschaffung der Wehrpflicht. Die ÖVP: wiederum auf dem falschen Fuß, wiederum keine eigenen Ideen.

Am jetzigen Zustand der ÖVP trifft die SPÖ aber keinerlei Schuld, das haben die Schwarzen schon ganz alleine zustande gebracht. Auch wenn man die Wehrlosigkeit des Josef Pröll, der gesundheitlich schwer angeschlagen ist und sich im Krankenstand befindet, nicht ausnützen sollte, um ihm Vorwürfe zu machen, kommt man nicht umhin, der ÖVP eine schwere Führungskrise zu attestieren.

Wenn schon Pröll durch unglückliche Umstände handlungsunfähig ist, hätte ein anderer eingreifen müssen: Bei Ernst Strasser wurde die Führung erst aktiv, als ihr bereits die Fetzen um die Ohren flogen, und spätestens dann war klar, dass man auch das Problem mit Hella Ranner werde lösen müssen. Aber auch hier wartete man viel zu lange und steckte den Kopf in den Sand, das muss der Klubchef auf seine Kappe nehmen. Und mit Hubert Pirker, der Othmar Karas in Brüssel als Briefkasten für seine Kärntner Lobbying-Firma missbrauchte und es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, ist bereits das nächste Problem offensichtlich. Einsehen? Auch hier: vorerst keines.

Arbeit mag das beste Mittel sein, um aus dieser düsteren Talsohle herauszufinden. Da mutet es aber seltsam an, wenn der Sprecher des rekonvaleszenten ÖVP-Chefs dem Kanzler Schmutz nachwirft und sich in der Krone beschwert, Faymann habe es nicht einmal der Mühe wert gefunden, Pröll Genesungswünsche auszurichten. Das ist erstens falsch, zweitens schäbig und drittens dem Koalitionsklima nicht zuträglich. Faymann kann man vieles nachsagen, mangelnde Empathie ist sein geringstes Problem.

Was Faymanns Problem ist: nur 15 Prozent Zustimmung in der Kanzlerfrage. Ein historisch schlechter Umfragewert. Was Prölls Problem ist: nur zwölf Prozent Zustimmung.

Wenn sich die ÖVP jetzt an die SPÖ klammert, ist das so, als würde sich ein Zementsack an einen Ertrinkenden schmiegen. Schon weit draußen im tiefen Wasser.

Die ÖVP wird selbst einen Weg aus ihrer Krise finden müssen, sie wird dafür Einsicht, viel Kraft und Kreativität, aber auch jede Menge Anstand brauchen. Ein Parteichef, der handlungsfähig ist, handlungswillig und zornig genug über das, was passiert ist, wäre auf dem Weg der Genesung recht hilfreich. (Michael Völker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.3.2011)