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Ein Boot überquert den Bosporus in Istanbul.

Foto: Osman Orsal / AP

299 Euro für eine Woche Hurghada mit Flug und Vollpension: Das nennt man den Mubarak-Effekt. Nach dem Sturz des ägyptischen Dauerstaatschefs versucht die Tourismusindustrie in dem nordafrikanischen Land zu retten, was noch zu retten ist. Mit Tiefstpreisen werden die Sorgen der Familienurlauber weggekauft. Doch wer hat schon gern plötzlich einen Panzer am Swimmingpool stehen.

Die große europäische Touristenumleitung hat in Wirklichkeit schon begonnen. Ostsüdost heißt der Kurs, Antalya statt Hurghada, die gute alte Türkei, wohl auch Bulgarien werden diesen Sommer abräumen. "Wir kriegen ein Rekordjahr", sagt Osman Ayik voraus, Direktor des Champion Holiday Village im Örtchen Beldibi - eine auch in Österreich wohlbekannte Touri-Adresse am östlichen Mittelmeer zwischen Antalya und Kemer.

Schlimmer noch als Ägypten erwischt es Tunesien. 80 Prozent Annullierung haben die Reiseveranstalter bisher eingebucht, in Ägypten ist rund die Hälfte der Hotelreservierungen am Roten Meer weg. 20 Jahre lang haben Polizeistaat und Strandurlaub in Tunesien prima zusammengepasst, jetzt rettet sich eine Übergangsregierung von einem Tag zum nächsten. Im Juli wird ein Parlament gewählt. Was davor und danach passiert, ist noch nicht recht klar - also weichen manche aus.

So einfach aufrechnen lässt sich der erwartete Urlauberstrom aber auch nicht. Die Hauptreisezeiten sind verschieden: in Ägypten und in Tunesien von Oktober bis Mai, in der Türkei - je nach Region - zwischen April und Oktober; am Schwarzen Meer in Bulgarien, wo in den vergangenen Jahren zwischen Sozopol im Süden und Balchik im Norden endlos Überkapazitäten an Hotels geschaffen wurden, sehr viel kürzer von Juli bis September.

Kroatien und Spanien werden dieses Jahr ebenfalls mehr Touristen sehen. Griechenland ist trotz Krise nicht wirklich billig. Auf Zypern wird es wohl eher der türkisch besetzte Nordteil der Insel sein, auf dem man mäßig legal, von der Türkei kommend, über den Flughafen Ercin einreist. Doch der große Touristen-Trichter ist die Türkei selbst. 1577 Kilometer Küste an der Ägäis und am Mittelmeer sind nun keine Kleinigkeit (für die 1595 Kilometer am Schwarzen Meer interessiert sich ohnehin kaum ein Urlauber aus Europa).

Osman Ayik, der auch den türkischen Hotelierverband Türofed als Vizepräsident mitführt, hat das genau im Blick. Die Türkei hat in den vergangenen Jahren schon weit mehr Touristen als Ägypten und Tunesien zusammen gehabt. 28 Millionen waren es 2010, verglichen mit 17 Millionen in den beiden nordafrikanischen Ländern. "Wir können auch sie alle aufnehmen - kein Problem", behauptet der Hoteldirektor, "they will have a good time".

Ein Plus auch in Bulgarien

Antalya ist derzeit schon ziemlich gut gebucht für den Sommer, in Fethiye, Marmaris oder Bodrum soll es noch viel freie Kapazität geben. Gleiches gilt für Famagusta und Kyrenia im Nordteil Zyperns. Zehn Prozent plus erwartet Bulgariens Wirtschaftsminister für die Sommersaison, wo Hoteliers über die neue "Besuchersteuer" klagen, die Preise für Getränke und Speisen aber immer noch wenigstens um ein Drittel unter dem Schnitt von Österreich liegen. Noch vor der Zeit der fallenden Präsidenten in den arabischen Urlauberländern hat Lonely Planet Bulgarien zur fünftbesten Destination für 2011 erklärt, aber dabei weniger an den berüchtigten "Goldstrand" gedacht als an die bulgarische Bergwelt (eins bis vier sind Albanien, Brasilien, Kap Verde, Panama; sechs bis zehn Vanuatu, Italien, Tansania, Syrien und - zum Zeitpunkt des Rankings noch - Japan).

Die Türkei dampft derweil allen davon. Seit 2002 sind 116 Prozent mehr Besucher ins Land gekommen, berichtet das Tourismusministerium. Auch Istanbul zieht weiter enorm viel Besucher an. Schon im April ist Hochsaison. "Total ausgebucht", sagt Engin Ersen, Frontdesk-Manager im "Sapphire", einem der beliebtesten Midbudget-Hotels in Sultanahmet, dem historischen Teil Istanbuls. Mancher Hurghada-Urlauber hat schon umgebucht: statt tauchen im Roten Meer eben drei Tage shoppen und Minarette am Bosporus bestaunen. (Markus Bernath/DER STANDARD/Rondo/01.04.2011)