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Wien - 2,89 Milliarden Euro. Das ist der Wert, um den das Defizit 2010 höher ausfällt als bisher gedacht, weil mehrere Ausgaben bis dato nicht von der Finanzrechnung erfasst wurden. Um das Geld könnte man sich den Bauriesen Strabag kaufen oder die gestutzten Ausgaben für die Landesverteidigung verdoppeln. 2,89 Mrd. Euro entsprechen zudem jenem Betrag, den ÖBB, Krankenanstalten und Kommunalkredit von öffentlichen Stellen erhielten, der aber nicht als Ausgaben verbucht wurde.

"Schmerzhafte Wahrheiten"

Das wurde am Donnerstag von der Statistik Austria korrigiert. "Man muss die Dinge beim Namen nennen und Wahrheiten aussprechen, auch wenn sie schmerzhaft sind", erklärte der Generaldirektor der Statistikbehörde, Konrad Pesendorfer. Als Richtschnur gilt künftig: Relevant sind alle Finanzströme, bei denen "am Ende der Staat die Rechnung begleichen muss". Der größte Brocken entfällt auf die ÖBB. Der Bund hat sich verpflichtet, 70 Prozent der getätigten Investitionen zuzuschießen. Bisher floss aber nur ein weit kleinerer Teil, die Bahn finanzierte das Gros auf Pump. Weil damit größere Transfers vom Budget zu den ÖBB nur nach hinten geschoben werden, stellt die Statistik die Zahlungen jetzt schon in Rechnung. Aus diesem Posten erhöht sich das Defizit 2010 um 1, 27 Mrd. Euro.

Ähnlich verhält es sich bei diversen Krankenanstalten, vor allem jenen Kärntens und der Steiermark. Dort nahmen die Spitalsholdings hohe Schulden mit Landeshaftung auf, um die Kosten zu decken. Letztlich fallen die Verbindlichkeiten auf die Länder zurück. Deshalb wurden für das Vorjahr 610 Mio. Euro defizitwirksam angesetzt. Der dritte Posten entfällt auf die Kommunalkredit Finanz, in der die toxischen Papiere der notverstaatlichten Bank abgearbeitet werden. Dabei kam es zu einem Forderungsverzicht von einer Mrd. Euro, die Republik erhielt im Gegenzug einen Besserungsschein. Pesendorfer äußerte erhebliche Zweifel, dass der Staat von dem Geld wieder etwas sehen wird - und addierte auch die Milliarde zur Neuverschuldung. Das Defizit 2010 steigt somit um ein Prozent auf 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Noch stärker ist der Effekt bei den Schulden, die um 9,52 Milliarden oder 3,4 Prozentpunkte auf 72,3 Prozent des BIPs nach oben korrigiert wurden. Hier wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die kreative Buchführung schon seit einigen Jahren praktiziert wird und die Beträge zusammengerechnet werden. Dazu kommt die kürzlich entdeckte burgenländische Konstruktion, bei der eine Landesgesellschaft 440 Mio. Euro aufnahm und dem Land mit dem Geld Wohnbaudarlehen ablöste. Dabei kommt die Republik noch glimpflich davon. In Erwägung gezogen wurde, alle ÖBB- und KA-Finanz-Schulden dem Sektor Staat zuzurechnen. Das habe sich anhand der EU-Statistikregeln aber nicht begründen lassen, weil die Einrichtungen grundsätzlich "marktfähig" seien, wie Pesendorfer erklärte.

Materielle Auswirkungen

Die Änderungen sind zwar nur statistischer Natur - die Gelder sind ja unabhängig davon tatsächlich geflossen -, haben aber doch materielle Auswirkungen: Mit der Umstellung kommt nämlich der Budgetfahrplan ordentlich durcheinander. Bisher ging die Regierung von einer Absenkung des Defizits unter die Schwelle von drei Prozent im Jahr 2012 aus. Dieses Ziel wird nun frühestens 2013 erreicht. Der genaue Finanzrahmen bis 2015 wird gerade verhandelt, Eckzahlen sind daher unter Verschluss. "Ein neues Sparpaket wird es definitiv nicht geben", meint ein Verhandlungsteilnehmer, der namentlich nicht genannt werden will.

"Schwindeleien und Tricksereien" der Regierung würden sich nun rächen, hieß es von den drei Oppositionsparteien. Auch von einem Schulden-Super-GAU war die Rede. (as, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 4.1.2011)