Gleich zwei schlechte Nachrichten musste am Donnerstag der deutsche Finanzminister Hans Eichel verkraften: Die Steuerausfälle sind höher als erwartet und die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal ist geschrumpft. Die Meldung des Statistischen Bundesamtes, in den ersten drei Monaten sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent im Vergleich zum Quartal davor zurückgegangen, habe ihn "überrascht", so Eichel.

Jahr ohne BIP-Anstieg

Das Bundesamt führt die Schrumpfung auf die schwache Bauwirtschaft, den hohen Ölpreis und den starken Euro, der der exportabhängigen Wirtschaft der Bundesrepublik zu schaffen macht, zurück. Die Bundesregierung hält dennoch an ihrer Prognose von 0,75 Prozent Wachstum heuer fest. Nach Einschätzung von Experten droht dagegen ein Jahr ohne BIP-Anstieg.

Die Wachstumsprognose war auch Grundlage für die Steuerschätzung von Experten, deren Ergebnis Eichel vorstellte. Demnach belaufen sich die Mindereinnahmen auf 8,7 Mrd. Euro bei den öffentlichen Haushalten. Wegen der um zehn Mrd. Euro höheren Ausgaben für Arbeitslose beträgt die Finanzlücke des Bundes derzeit 12,5 Mrd. Euro. Bis 2006 rechnen die Experten mit Mindereinnahmen in Höhe von 126 Mrd. Euro, Eichel hatte 50 Mrd. Euro weniger erwartet. "Das ist die Größe eines halben Bundeshaushalts", sagte Eichel.

Höhere Neuverschuldung "akzeptieren"

Wie angekündigt, will Eichel eine höhere Neuverschuldung "akzeptieren", womit Deutschland das Maastricht-Kriterium erneut überschreitet. 2004 will Eichel das Kriterium aber erfüllen. Eichel stellte sich ausdrücklich hinter den Stabilitätspakt, Modifikationen lehnte er ab.

Wegen der Finanzmisere müssten "alle Leistungen des Staates auf den Prüfstand", so Eichel. "Wir leben nach wie vor über unsere Verhältnisse." Er sprach sich für den Abbau von Subventionen aus. Es soll auch Kürzungen bei Pensionen und Beamtengehältern geben. Die angekündigte Senkung der Lohn- und Einkommenssteuern wird eingehalten. Zu Steuererhöhungen wollte sich Eichel nicht äußern. "Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Gemeinden. Es ist keine Zeit mehr für den Rückzug in Schützengräben." (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD Print-Ausgabe, 16.5.2003)