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Bürgermeister Michael Häupl (SP) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) haben recht unterschiedliche Vorstellungen von einem gerechten Verhältniswahlrecht.

Fotos: APA/Schlager; dapd/Punz

Wien - "So weit sind wir noch nicht", sagt David Ellensohn und hält Die Zeit in die Höhe. "Alles grün, oder was?" titelte die deutsche Wochenzeitung nach dem grünen Wahlerfolg in Baden-Württemberg. Trotz wesentlich bescheideneren Ergebnisses vergangenen Oktober zeigten sich die Wiener Grünen am Dienstag bei ihrer ersten Klubklausur als Regierungspartei recht zufrieden - sowohl mit sich selbst als auch mit dem Koalitionspartner SPÖ.

Man verschwende erst gar keine Zeit mit gegenseitigem Haxl-Stellen, konstatierte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Immerhin sei Rot-Grün auch so etwas wie ein "politisches Kulturprojekt" und das Arbeitsklima auch nach vier Monaten positiv und konstruktiv.

Die Begeisterung der Vizebürgermeisterin fürs eigene Tun kann allerdings kaum über den Umstand hinwegtäuschen, dass es zwischen Rot und Grün in etlichen Bereichen inzwischen gewaltig knirscht - etwa beim Thema Wahlrecht. Beim ersten überparteilichen Gespräch zur geplanten Reform am Montag, zu dem auch VP und FP geladen waren, präsentierten die Grünen ein eigenes Papier mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen zur Änderung des Verhältniswahlrechts - im Wissen, dass das Thema den SP-Kollegen seit jeher kalte Schauer über den Rücken jagt. Schließlich erlaubte es die geltende Wahlordnung den Wiener Roten in der Vergangenheit, mit 46 Prozent Stimmenanteil die absolute Mandatsmehrheit zu erreichen. Auf diese Bevorzugung der stärksten Partei bei der Mandatsberechnung würde man bei Gelegenheit gerne wieder zurückgreifen.

Bindungsängste

Die Grünen hatten sich indes vor der Wahl darauf festgelegt, unabhängig vom Ergebnis mit FP und VP eine Reform zur Mandatsverteilung auszuarbeiten und nötigenfalls auch gegen die SP zu beschließen. Seit ihrem Eintritt in die Regierung schwiegen sich die Grünen diesbezüglich aus - bis zur Vier-Parteien-Verhandlung am Montag.

Der grüne Gemeinderat Martin Margulies möchte das präsentierte Papier, das ein ähnliches Mandats-Ermittlungsverfahren wie auf Bundesebene vorschlägt - nicht als unfreundlichen Akt gewertet sehen. "Wir haben uns einfach vorbereitet", sagt er. Der rote Klubchef Rudolf Schicker ging kurz vor der Verhandlung noch davon aus, dass sich die Grünen in puncto Verhältniswahlrecht "dem Regierungspartner gegenüber loyal verhalten" würden. Umso größer sein Ärger danach: "Wenn man verhandelt, dann verhandelt man und verteilt seine Positionen nicht gleich schriftlich an alle - damit bindet man sich viel zu sehr", sagt Schicker. Zudem gebe es in allen Bundesländern eine mehrheitsfördernde Komponente, "und in der Wirtschaftskammer erreicht man mit 40 Prozent 60 Prozent der Mandate".

Opposition lobt grünen Vorschlag

Die Rathausopposition ist vom grünen Vorschlag hingegen durchwegs angetan. "Jede Stimme muss gleich viel wert sein", sagt der schwarze nicht amtsführende Stadtrat Wolfgang Gerstl. Auch die Blauen können der Idee etwas abgewinnen "Man muss sich allerdings anschauen, ob sich das auch so umsetzen lässt", sagt Gemeinderat Dietbert Kowarik.

Im Mai gehen die Verhandlungen in die nächste Runde. (Martina Stemmer, Bettina Fernsebner-Kokert/STANDARD-Printausgabe, 6.4.2011)