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Sujet einer umstrittenen Atheismus-Kampagne in Wien aus dem Jahr 2009.

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Papst Benedikt XVI. warnte im Vorjahr bei einer Predigt in Glasgow, Schottland, vor aggressivem Säkularismus und extremen Formen des Atheismus.

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Fußwallfahrt im bayrischen Regensburg: Die Kirche vermag zu mobilisieren, ...

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..., dieser italienische Anti-Vatikan-Demonstrant steht hingegen recht einsam am Petersplatz.

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Mariazeller Souvenirs: "Hochprofessionelle und wohldotierte PR-Abteilungen."

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Die Konfessionslosen sind dagegen stolz darauf, Ratsvorsitzenden Heinz Oberhummer (Bild) nicht anzubeten.

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Khol: "Ein Atheist hat es schwerer als ein religiöser Mensch, der die Ethik vorgefertigt bekommt. Der Atheist muss sich diese erkämpfen."

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Wien – Heinz Oberhummer geht es ums Prinzip. Der pensionierte Physikprofessor versucht den Konfessionslosen zu ihrem Recht zu verhelfen. Aufrichtig wütend war der 69-jährige Kirchenkritiker, als kein einziger Konfessionsloser eine Einladung ins Parlament bekam, um im Mai über den Ethikunterricht mitzusprechen. Alle Religionsgesellschaften – auch Kleinstgruppen wie Mormonen und Zeugen Jehovas – dürfen hingegen zwei Vertreter zur Debatte entsenden.

"Ich weiß nicht, wie viele Mitglieder wir haben, glaube aber schon, mehr als die kleinste Religionsgemeinschaft", sagt Oberhummer, Vorsitzender des Zentralrates der Konfessionsfreien, der sich aus fünf Vereinen, teils atheistischen, zusammensetzt. "Ich bin der Überzeugung, es gäbe uns gar nicht, wenn die Kirchen nicht privilegiert wären", beteuert er. Im Kreuz in Klassenräumen etwa erkennen Oberhummer und seine Mitstreiter kein belangloses Stück Holz, sondern ein Symbol für das Verhältnis von Staat und Kirche, ein Sinnbild katholischer Obrigkeit in öffentlichen Schulen. Es geht ums Prinzip. Diesmal um den Ethikunterricht.

Alle Religionen berücksichtigt

Hintergrund: Die Ethikunterricht-Enquete am 4. Mai im Parlament behandelt, ob Jugendliche in der Oberstufe, die keinen Religionsunterricht wollen, dafür zwangsweise Ethikstunden besuchen sollen. Die Befürchtung der Konfessionsfreien: Die Ethik-Lektionen werden von Religionslehrern erteilt – ein Religionsunterricht durch die Hintertür.

Das Parlament lud katholische, evangelische, muslimische, jüdische Vertreter etc., sogar alle Sozialpartner von Gewerkschaft bis Landwirtschaftskammer ein – nur die Konfessionsfreien um Oberhummer nicht. Zwar haben die Grünen dem Professor nun doch ein Ticket ins Parlament verschafft: Er darf als Experte der Partei kurz referieren.

Doch im Hauptausschuss des Nationalrates erwogen die Abgeordneten nicht einmal die Einladung der Konfessionsfreien, bestätigt man im Büro von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. "Also wenn Sie mich fragen, haben diejenigen, die diese Enquete zusammengestellt haben, schlicht und einfach darauf vergessen", vermutet auch Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol im Gespräch mit derStandard.at.

Atheisten wollen keine Bekenntnisgemeinschaft sein

Geht es nach der Logik des Parlaments, hätten die Konfessionsfreien wohl eine Religionsgesellschaft gründen müssen, um eingeladen zu werden. "Es ist nicht unser Ziel, eine Bekenntnisgemeinschaft zu gründen", erklärt aber Christoph Baumgarten vom Freidenkerbund, dem größten Verein von Atheisten und Agnostikern in Österreich. Vielmehr sei der Zentralrat mit Oberhummer "eine funktionierende Organisation. Es wäre an der Zeit, dass die Politik das zur Kenntnis nimmt."

Die Ignoranz des Parlaments kündet vom Grundproblem der Konfessionslosen, einer wachsenden Gruppe von bald zwei Millionen Menschen, doch ohne schlagkräftige Lobby. Am ehesten setzen sich noch die Grünen für deren Anliegen ein. "Es gibt unterschiedliche Initiativen, aber keine legitimierte Vertretung. Genau darin liegt das Problem: Wie soll man die herstellen?", fragt sich aber auch die grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol. Denn die Konfessionsfreien sind Menschen vom Atheisten bis zum Kirchensteuerflüchtling, vom Agnostiker bis zum Ex-Katholiken, der sich lieber sein eigenes Gottesbild zurechtlegt. "Es sind bei den zwei Millionen sicher auch viele, die an einen Gott glauben", sagt Oberhummer.

Konfessionsfreie haben oft wenig Gemeinsamkeiten

ÖVP-Politiker Khol hätte eine offizielle Einladung an die Konfessionsfreien begrüßt: "Für mich sind die Sprecher dieser Gruppen repräsentativ, auch wenn sie nur 30 Mitglieder hätten. Ich brauche keine staatliche Bestätigung." Khol nennt sich selbst einen katholischen Konservativen, respektiert aber die Haltung der Konfessionsfreien: "Mir sind ein Atheist und ein Agnostiker näher als ein Hedonist, der sagt: 'Ich beschäftige mich mit der Sache nicht, mir ist das eigentlich wurscht.' Jemand, der ganz bewusst Gott leugnet, muss hingegen ethische Grundsätze haben, weil ihn diese Frage beschäftigt." Doch auch Khol begreift Konfessionslose als inhomogene Masse: "Diejenigen, die keine Konfession haben, mit Atheisten gleichzusetzen, ist lächerlich." 2009 bezeichneten sich in der von Regina Polak veröffentlichten Wertestudie 31 Prozent der Österreicher als nicht religiös, aber nur 4 Prozent als überzeugte Atheisten.

Österreichs führenden Kirchenkritikern wie Oberhummer oder dem Atheisten Niko Alm geht es nicht vorrangig um einen ethischen Gegenentwurf zum Christentum, sondern sie kritisieren den gesetzlichen Ist-Zustand. Die österreichischen Atheisten entsagen jenseitigen Tröstungen und wollen nüchtern aufs Leben blicken. Sie wollen niemanden missionieren.

Kirchenkritische "Notgemeinschaft"

Weil die Kirchen ihre Interessen in politischen Fragen wie selbstverständlich vertreten, müssen sich aber auch die Nicht-Gläubigen organisieren, obschon sie das gar nicht wollen. Ein Widerspruch, räumt Oberhummer ein: "Wir sind in einem Stadium, wo wir das machen müssen, obwohl die meisten Konfessionsfreien, glaube ich, gar nicht in einem Verein sein wollen. Wir sind eine Notgemeinschaft."

Dass es schwieriger ist, mit dem Nicht-Glauben zu mobilisieren als mit dem Glauben, bestreiten die Konfessionsfreien nicht. "Jemand, der glaubt, hat von vornherein mehr spirituelle Kräfte als jemand, der nicht glaubt. Es ist schwieriger, nicht zu glauben", begründet das Khol. "Ein Atheist hat es viel schwerer als ein religiöser Mensch, der die Ethik vorgefertigt bekommt. Jemand, der an keinen Gott glaubt, muss sich diese erkämpfen und erschaffen."

Kampf mit ungleichen Mitteln

Baumgarten sieht außerdem das Problem, dass viele, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, "mit dem ganzen nichts mehr zu tun haben wollen" – und auch nicht einer Organisation wie dem Freidenkerbund beitreten würden. "In Frankreich, wo es ein ausgeprägtes Bewusstsein für Laizität gibt, würden uns die Mitglieder nachlaufen. So müssen wir den Mitgliedern nachlaufen", sagt er.

Der Wettstreit mit den Kirchen ist ein Kampf mit ungleichen Mitteln. "Wir haben nicht die hochprofessionellen und wohldotierten PR-Abteilungen der Kirche", sagt Oberhummer. Dennoch wollen Österreichs Konfessionsfreie auch weiter die Stimme erheben, auch mit dem geplanten Kirchenvolksbegehren. Über die katholische Öffentlichkeitsarbeit sagt Oberhummer: "Da können wir etwas lernen, da sind wir ein Zwerg. Wie David gegen Goliath, um eine Geschichte aus der Bibel zu zitieren." (Lukas Kapeller, derStandard.at, 11.4.2011)