Hinter verschlossenen Türen gingen bei den EU-Finanzministern im Sisi-Schloss Gödöllö die Emotionen hoch. Die Regierung in Lissabon habe völlig unverantwortlich gehandelt, musste sich der Portugiese Teixeira dos Santos anhören. Anstatt schon vor Monaten unter den Euro-Rettungsschirm zu schlüpfen, um wenigstens die Liquidität des Landes rechtzeitig sicherzustellen, wenn sie schon zu Reformen unfähig sei, habe sie sich in die eigene Tasche gelogen - und die Euro-Partner düpiert.

Jetzt steht das Land offenbar ganz kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Anders ist die dramatische Reaktion der Union nicht zu erklären: Es wurde eine Art Notstand ausgerufen. Ab sofort verliert Portugal de facto seine Eigenständigkeit, wirtschaftlich und politisch. Die Europartner übernehmen im Verbund mit EU-Kommission, Zentralbank und den Experten des Währungsfonds das Kommando.

In nur vier Wochen muss ein langjähriges Sanierungskonzept ausgearbeitet und beschlossen sein. Zur Disposition stehen dabei nicht nur Finanzen. Beamtenapparat, die Staatsindustrie, Steuern, Pensionen, Arbeitsgesetze bis hin zu den Löhnen, nötige Privatisierungen - alles kommt auf den Prüfstand. Und die Union ruft nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition auf, sich schon jetzt zur Umsetzung dieser Reformen aus Blut, Schweiß und Tränen zu verpflichten - mitten im Wahlkampf. Das ist einmalig. Stärker kann man Dramatik und Not nicht dokumentieren. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.4.2011)