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Identität und die Frage nach ihrer Konstruktion oder Dekonstruktion sind zentrale Themen der Queer Studies. 2006 trafen Theoretiker_innen bei der Konferenz "Queer Reading in den Philologien" in Wien zusammen. "Import - Export - Transport" setzt nun andere thematische Schwerpunkte und ist auch die erste interdisziplinäre Queer Studies Konferenz der Uni Wien.

EPA/DIVYAKANT SOLANKI

Ganz unbekannt sind die sogenannten "Queer Studies" hierzulande auch nicht mehr. Doch im Vergleich zu ihrer Präsenz im angloamerikanischen Raum, wo sie sich als eigenständige Disziplin längst etablieren konnten, genießen sie in Österreich doch eine bescheidene Berühmtheit. Queer Theorie bedeutet laut Genderwiki den Versuch, gegen klare Einteilungen und Dichotomien Einspruch zu erheben und Kategorien wie Geschlecht, Sexualität "darunter Transgender, Transsexualität oder Intersexualität als marginalisierte Positionen" in den Blick zu nehmen.

"Perverse Studien" schlägt Konferenz-Mitorganisatorin Sushila Mesquita als schlagkräftige Übersetzung vor, "das fängt am ehesten ein, was 'Queer' im US-amerikanischen Kontext bedeutet", so Mesquita gegenüber dieStandard.at, die gemeinsam mit Katrin Lasthofer und Katharina Wiedlack das Programm von "Import - Export - Transport. Queer Theory, Queer Critique and Activism in Motion" gestaltete. Die Konferenz ist die erste mit dem Fokus Queer Studies in dieser Größenordnung an der Universität Wien.

"Queer" verlagern

Im Zentrum der Konferenz stehen Überlegungen zur Übersetzung und Verortung der Queer Studies, auch die Bedeutungen des Begriffes 'Queer' sollen zur Debatte gestellt werden. "In den Vorbereitungen stellten wir uns die Frage nach der Übertragbarkeit von 'Queer' in Länder außerhalb des englischsprachigen Kontextes. Was passiert, wenn wir 'Queer' hierher oder auch nach Südosteuropa importieren?", erklärt Mesquita die Schwerpunktsetzung der Konferenz. "Uns ist es wichtig zu schauen, was die einzelnen TheoretikerInnen mit dem Begriff machen. "Es ist oft schwierig, queere Konzepte, die oft sehr nah an den sozialen Zusammenhängen der USA oder auch England geknüpft sind, für andere Länder und in deren soziale Zusammenhänge zu übersetzten. Wir wollen mit unseren Konferenz-TeilnehmerInnen schauen, wo diese Übertragungen ihre Grenzen haben", so Wiedlack.

Überregionale Bündnisse

Die Konferenz kündigte sich zudem mit dem Anspruch an, den vielleicht notwendigen Veränderungen innerhalb der Queer Studies nachzugehen. "Ein Feld, das für sich beansprucht, antihierarchisch zu sein, sollte noch mehr auf Hierarchien innerhalb dieses Bereiches schauen", darin sieht Wiedlack bei den Queer Studies noch Potential. Das gäbe es laut Organisatorinnen auch bei dem noch geringen Einfluss nicht-englischsprachiger Länder und bei überregionalen Bündnissen - davon wollen die drei künftig gerne mehr sehen. Bei der Planung der Konferenz interessierte Lasthofer, Wiedlack und Mesquita nicht zuletzt die fortschreitende Kanonisierung eines Bereiches, der sich gleichzeitig besonders kritisch gegenüber solchen Einengungen zeigt. Ab 28. April wird die Konferenz daher versuchen, Themen, Ansätze und ihre VertreterInnen auch abseits dieses Kanons ins Bild zu rücken.

Queer Studies institutionalisieren?

Zum Vorhaben der Sichtbarmachung der Queer Studies im Allgemeinen sehen die Konferenz-Organisatorinnen dennoch einige Widersprüchlichkeiten. "Queer Theorie lebt von den unterschiedlichen Disziplinen, die etwas beitragen", dies könnte aber für die nachhaltige Verankerung der Queer Studies durchaus problematisch sein, so Lasthofer. Außerdem stellen sich die Queer Studies zu den klassischen akademischen Disziplinen ganz gezielt quer und verfolgen auch ein wissenschaftskritisches Vorhaben, erklärt Sushila Mesquita die nicht ganz einfache Position der Queer Studies, die zwar einerseits vor dem Hintergrund, nachhaltige Forschung liefern zu wollen, um Sichtbarkeit kämpfen. Andererseits stehen sie einer Institutionalisierung dennoch sehr kritisch gegenüber. 

Von der Konferenz erwarten sich die drei Organisatorinnen vor allem Austausch und einen erweiterten Blick auf das Feld. Katrin Lasthofer hofft: "Diese Tage sollen ForscherInnen und AktivistInnen nachhaltig sichtbar machen. Und es wäre schön, wenn für die ZuhörerInnen und TeilnehmerInnen der Funke überspringt. Viele forschen ja in Kontexten, in denen sie selbst leben, somit geht es nicht nur um wissenschaftliche, sondern auch um politische Themen." (beaha, dieStandard.at, 20.4.2011)