Der Österreicher und die Technologie - in dieser Beziehung hat eine gewisse Zwiespältigkeit Tradition. Dazu gehört, ein Atomkraftwerk zuerst fertigzubauen, um sich dann per Volksentscheid gegen die Inbetriebnahme auszusprechen. Oder Österreich offiziell zum gentechnikfreien Staatsgebiet auszurufen, aber gleichzeitig, laut Experten, einen großen Anteil gentechnisch veränderter Futtermittel zu importieren. Oder einen parteiübergreifenden Anti-Atom-Kurs zu forcieren, während noch immer - wenn auch nur sechs Prozent - Atomstrom importiert wird.

Der 18. Club Research, der kürzlich in Wien stattfand, spielte mit dem Titel "Österreich als Europameister der Technologieskepsis" vor allem auf den ersten, ablehnenden Teil dieser zwiespältigen Beziehung an. Der Titel ist einer Schlagzeile eines Artikels entlehnt, der im Dezember letzten Jahres im Standard erschienen ist und eine Eurobarometer-Umfrage thematisierte, die Anlass und Gegenstand der Veranstaltung war. Aus dieser geht Österreich als die Nation hervor, die am meisten Skepsis gegenüber neuen Technologien hegt. Besonders Kernenergie, Nanotechnologie und Gentechnik scheinen den Österreichern nicht geheuer.

Mehr als die Hälfte der Österreicher gaben in der Umfrage außerdem an, dass es in ihrem täglichen Leben nicht wichtig sei, über Wissenschaft Bescheid zu wissen. In keinem anderen Land teilten mehr Menschen diese Ansicht und im EU-Durchschnitt nicht einmal ein Drittel. "Das ist ein schockierendes Ergebnis", meint Wolfgang Wagner: "Wir sind Wissenschaftsmuffel." Der Linzer Sozialpsychologe betreut die Eurobarometer-Umfrage für Österreich.

Habitus der Skepsis

Doch Wagner wies auch darauf hin, dass andere Daten durchaus ein anderes Bild zeichnen würden. So gaben rund 60 Prozent der Österreicher an, dass Wissenschaft und Technologie unser Leben gesünder machen - im EU-Durchschnitt war das nur ein knappes Drittel. Klarerweise lassen sich aus einer quantitativen Umfrage keine qualitativen Rückschlüsse ablesen. Wagner vertritt die Interpretation, dass die Österreicherinnen und Österreicher Technologien skeptisch gegenüber stehen, aber weniger aus Ignoranz als wegen eines gewissen "kulturellen Habitus der Wissenschaftsskepsis". Insofern ist "die Berichterstattung oft negativer als angebracht".

Auch Stefan Poledna, Vorstandschef des Unternehmens TTTech, stellt eine Technologie-Skepsis unter den Österreichern fest, die er allerdings weniger als Feindlichkeit denn als "übergroße Vorsicht" interpretiert. Bevor sich der Österreicher auf neue Technologien einlasse, frage er sich in "einer natürlichen Bauernschläue", wer die Nutznießer sind, wenn die Technologie sich als Erfolg herausstellt, und wer das mögliche Risiko trägt.

Ähnlich sieht das Alexander Bogner vom Institut für Technikfolgenabschätzung der Akademie der Wissenschaften. Technikskepsis beziehe sich nicht auf Haushaltsgeräte, sondern auf Kerntechnologie, Gentechnik oder Stammzellenforschung. Da sei eine "potenzielle Bedrohung da, die sinnlich nicht fassbar ist". Und ist etwas undurchschaubar, mache es Angst.

"Angst ist etwas, das wir vermeiden wollen", sagt der Unternehmensberater Peter Adler. Er kritisiert, dass Autos oder Geräte heute zu kompliziert seien, um sie noch zu durchschauen. Doch das sei seiner Einschätzung nach nur ein vorübergehendes Stadium. So zeige etwa die Produktion von Senioren-Handys, dass es Bedarf gibt, die Alltagstechnik durchschaubarer zu machen.

Dort, wo Technologien "in der Lebenswelt ihren Platz haben", würden sie auch angenommen, meint Eva Buchinger, Soziologin am Austrian Institute of Technology AIT. Was die Nutzung neuer Technologien angeht, sieht sie in Österreich eine gewisse Skepsis "historisch verankert": "Prägende Gründungsväter wie Siemens in Deutschland haben bei uns gefehlt." (Tanja Traxler, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. April 2011)