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Proteste gegen die Wahlbehörde: Feuer gegen die Feuerwehr in Istanbul.

Foto: APA/EPA/Gul

Ein zweites Mal hat die oberste Wahlbehörde der Türkei, der Yüksek Seçim Kurulu (YSK), nun zugeschlagen und sich vor den Parlamentswahlen am 12. Juni als mächtigste Kraft vor Wählern und Parteien präsentiert. Die von der Regierung gewünschte Möglichkeit für türkische Bürger im Ausland, in diplomatischen Vertretungen oder anderen türkischen Einrichtungen die Stimme abzugeben, hatte der YSK schon vor Wochen abgewiesen. Wer wählen will, muss sich ein Flugticket in die Türkei kaufen oder sich ins Auto setzen. Nun folgte der Ausschluss von zwölf namhaften Politikerinnen und Politikern, die für die Kurdenpartei BDP antreten. Am Dienstag wartete das politisch interessierte Land auf die Entscheidung der BDP über einen möglichen Boykott der Wahlen. Es wäre ein weitreichender, in seinen Folgen noch nicht absehbarer Schritt.

Die beiden großen Parteien - die regierende AKP und die oppositionelle Republikanische Volkspartei CHP - wollen das Selahattin Demirtaş und den anderen Führungsmitgliedern der BDP ausreden. Diese Idee scheint aber konfus in alle Richtungen zu gehen. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu verlangte zum Beispiel eine Sondersitzung des Parlaments. Seine Idee: noch schnell über eine Absenkung der Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug von Parteien abstimmen. Von der fragwürdigen rechtlichen Seite einmal abgesehen, ist Kilicdaroglus Vorstoß natürlich auch ein Wahlkampfmanöver, das sich gegen Tayyip Erdogan richtet. Der hatte ja erst vergangene Woche im Europarat erklärt, dass es bei der Änderung der hohen Sperrklausel absolut keine Eile hat.

Den prominenten zwölf BDP-Kandidaten, die offiziell als "Unabhängige" antreten wollen, um eben die Zehn-Prozent-Hürde zu umgehen, wirft die Wahlbehörde frühere strafrechtliche Verurteilungen vor, die zum Ausschluss einer Bewerbung um ein Parlamentsmandat führten. Das erscheint einigermaßen verwunderlich: Die BDP-Politikerin Gültan Kişanak etwa (1 Jahr, vier Monate wegen fortgesetzter Beteiligung an nicht genehmigten Demonstrationen) konnte bei der Wahl 2007 noch kandidieren - die Wahlbehörde hatte keine Einwände.

In Istanbul, Izmir, Diyarbakir, Van und anderen Städten im Südosten der Türkei gab es am Dienstag Straßenproteste, die zeigten, wie politisch sensibel die Entscheidung der Wahlbehörde gegen die Kurdenpolitiker war. Boykottiert die BDP nicht die Wahl, könnte sie unter Umständen mit weniger Abgeordneten ins Parlament einziehen, als ihr vielleicht möglich gewesen wären: Die Kurdenpartei soll nicht ausreichend Ersatzkandidaten nominiert haben. Eine Revision der Kandidaten-Entscheidung wird es nicht geben - das machte der YSK heute auch klar.