Kata Kuhn (Juristin Personalmanagement Erste Group), Irmgard Prosinger (Trenkwalder Personaldienst), Martin Mayer (Geschäftsführer Iventa), Manfred Bauer (Personaldirektor GM Powertrain), Sonja Marchhart (Konzernpersonalchefin Baumax).

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Rund fünf Millionen Menschen rund um Wien haben nun theoretisch nur eine Stunde Autofahrt zu einem besseren, lukrativeren Job in Wien-Umgebung. "Kein Wirtschaftsraum in Europa könnte einen so starken Impact erleben wie Wien", eröffnet Martin Mayer, Geschäftsführer der Personalberatung Iventa, auch das aktuelle Karrierenforum zur Öffnung von acht europäischen Arbeitsmärkten.

Ohne Ausländerbeschäftigungspapiere können jetzt Ungarn, Slowaken, Slowenen, Tschechen, Polen, Esten, Letten und Litauer in Österreich arbeiten. Mayer: "Wien ist umgeben von Wirtschaftsräumen, die traditionell auf Lohnkostenvorteile gesetzt haben - was erwartet uns also, was dürfen wir erwarten?", spannt er den Bogen zwischen Ängsten und Chancen.

Überwiegend positiv

Irmgard Prosinger, Leiterin Marketing & Kommunikation bei der Zeitarbeitsfirma Trenkwalder, zitiert aus einer frischen hauseigenen Studie, wonach heimische Firmen die Öffnung überwiegend positiv (66 Prozent) sehen - dabei gehen die Hoffnungen nicht in Richtung Billigarbeitskräfte, sondern in Richtung Qualifizierte, die hier fehlen. Vor allem Industrie, Gewerbe und Unternehmen aus dem technisch-kaufmännischen Bereich hoffen so, limitierende Personalknappheit bewältigen zu können. Allerdings: Die Öffnung werde nicht die Lösung für den Fachkräftemangel sein, rücken die Diskutanten diese Hoffnungen in die Wirklichkeit, es bestehe Berufsschutz in den besonders gesuchten Disziplinen, etwa Schlosser, Spengler, Dachdecker.

Zudem, so Martin Mayer, sei auf diesem Level auch die Integration schwierig, Sprachbarrieren seien ein großes Thema. Die Mobilität in diesen Bereichen dürfe nicht überschätzt werden.

Kata Kuhn, Juristin im Personalmanagement der Erste Group und selbst Ungarin, sieht zwar einen negativen Einfluss der wirtschaftlich unberechenbaren Situation in Ungarn - in der Bankengruppe gebe es allerdings gemäß der internationalen Aufstellung Bewegung in beide Richtungen. Dass bürokratischer Aufwand nun wegfalle, sei aber auch für Unternehmen mit umfangreicher Erfahrung in diesem Management hoch erfreulich.

Anders der "Leidensdruck" der Baumarktkette Baumax. "Der demografische Knick hat uns voll erwischt, die Hoffnung der Ostöffnung hat sich nicht erfüllt", sagt Konzernpersonalchefin Sonja Marchhart.

Der Zug aus Osteuropa in den heimischen Arbeitsmarkt war bis jetzt für Baumax nicht so groß wie erhofft. Marchhart: "Die Mobilität derer, die wir in den Verkaufsflächen brauchen, ist nicht so groß, die Sprachbarriere ist vorhanden." Maximal in Grenzregionen hält sie Hoffnung auf Zuzug von Verkaufsmitarbeitern für möglich.

Auf Managementebene freut sie sich ebenfalls über Erleichterungen, das werde wohl Mobilität fördern. Aber: "Der Gehaltsvorteil, hier zu arbeiten, ist praktisch nicht vorhanden."

Konkurrenz: Jungakademiker

Für Manfred Bauer, Personaldirektor der General Motors Powertrain, wird sich der Mitarbeiter-Austausch zwischen den Standorten vereinfachen. Die Lösung für fehlende technische Spezialisten erwartet er sich nicht - noch dazu, wo Mitbewerber in der Auto-Zulieferindustrie in Wien-Umgebung mittlerweile allesamt attraktive Packages böten. Bauer: "Unsere Zentrale in Rüsselsheim ist ganz euphorisch - wir sind da zurückhaltender."

Martin Mayer, mit Iventa selbst nunmehr seit zehn Jahren in Osteuropa, sieht dennoch große Umwälzungen: Im Bereich junger Schlüsselkräfte prognostiziert er Dynamisierung. Beispiel: Ein IT- Jungakademiker im Grenzraum Bratislava erhalte 1000 Euro Einstiegsgage, in Wien das Doppelte. Im Top-Bereich schließt sich diese Lücke wieder, aber Junge hätten wohl gute Gründe, ein paar Jahre in Wien zu arbeiten. Mayer: "Das kann dazu führen, dass der benachbarte Standortvorteil fällt."

Dass für Jungakademiker im Raum Wien deutliche Konkurrenz kommen wird, glaubt auch Irmgard Prosinger. Wenn sich Berufseinsteiger aus der Akademie nach Österreich orientieren, dann werde sich die Lohnanpassung in den benachbarten Ländern sehr beschleunigen. "Abschied von der Billigmär". Bauer: "Jene Fluktuation aus Osteuropa, die früher nach Irland, nach Großbritannien ging, die kann schon kommen."

Dennoch bleibt Einigkeit über die Folgen struktureller Defizite: Der Facharbeitermangel wird sich durch die Öffnung nicht beheben, vermutlich nicht einmal erleichtern lassen. Die nunmehrige Öffnung sei lediglich ein kleines Steinchen in einem neuen Puzzle.

Positiv-Spirale

Martin Mayer schließt positiv: Er erwartet, dass die rasche Anpassung des Lohnniveaus in CEE zu einer positiven Spirale führen werde: Stärkung der Kaufkraft in diesen Ländern und damit auch mehr und neue Chancen für heimische Unternehmen, für Dienstleister, in diesen Märkten. "Das könnte ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte Osteuropas werden." Die neue Öffnung sei eben noch neu und müsse erst in die Köpfe. (Karin Bauer/DER STANDARD; Printausgabe, 30.4./1.5.2011)