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Kein Foto, kein Nachname sind die Bedingungen: Er sei der Ercan, so kennen ihn seine Kunden, so sollen ihn auch die Leser kennenlernen.

Foto: APA/Patrick Seeger

Ercan in seinem blauen Arbeitsmantel, Gemüse- und Obstkisten hin- und herschlichtend, gehört in der Bregenzer Kirchstraße zum Alltagsbild. Verlockend bunt ist sein Obst- und Gemüsestand, eine Stufe höher, im alten Stadthaus gibt's noch mehr von der frischen Ware - und alles, was ein Innenstadt-Nahversorger so für seine Kunden braucht, eine Kebab-Ecke inklusive. "Da kommen unsere Kunden aus dem Gymnasium", schmunzelnd Ercan. Fast alle seiner Kunden seien "Einheimische", erzählt der Händler, Stammkunden die meisten, "türkische Kunden machen maximal ein Prozent aus". Warum, das wisse er nicht.

Auf die Bitte, aus seinem Leben zu erzählen, reagiert er mit Skepsis. "Interessiert das jemand?" Kein Foto, kein Nachname sind seine Bedingungen. Er sei der Ercan, so kennen ihn seine Kunden, so sollen ihn auch die Leser kennenlernen. In Vorarlberg lebe er seit fast 30 Jahren. "18 Jahre alt war ich, wir sind mit der Schule nach Wien gefahren und ich bin einfach geblieben." Er wollte nicht mehr zurück ins ostanatolische Erzincan. Viele machten sich damals aus der Stadt im Erdbebengebiet auf nach Mitteleuropa.

Schnell in vier Ländern

Von Wien ging es über Innsbruck nach Vorarlberg. "Da hat es mir gefallen, weil man schnell in Deutschland ist, in der Schweiz, in Italien oder Frankreich." Arbeit zu finden war kein Problem, die Textilindustrie brauchte billige Arbeitskräfte.

Ercan bekam seinen ersten Job in einer Lustenauer Stickerei. "Bis 12 Uhr hab ich gearbeitet, dann bin ich in die Schweiz, in die Disko." Kontakte zu knüpfen fiel schwer, "die Sprache machte Probleme". Schwierigkeiten bereitete auch die Wohnungssuche. "Monate habe ich draußen geschlafen, zum Glück war Sommer."

In Lustenau wollten sie damals keine Ausländer, "sie haben uns nicht gekannt", sagt Ercan milde. Einige Kurse und zwei Jahre später war der "Ausländer" Schichtführer. Arbeitete sich hinauf, kaufte die Stickerei, wurde Österreicher. Kunden bis nach Afrika habe er beliefert, "nach 15 Jahren war ich müde". Er wurde in Bregenz Lebensmittelhändler. Warum? "Vielleicht wegen dem Vater? Der hat in Erzincan einen Transportbetrieb gehabt und mit Gemüse gehandelt." (Jutta Berger, DER STANDARD, Printausgabe, 30.4./1.5.2011)