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Das waren noch Zeiten: Aus Freude über die Zuerkennung der Olympischen Spiele 2004 brachten die Griechen Anfang des Jahrtausends eine 500-Drachmen-Sondermünze heraus. Nun wird über ein Comeback der Drachme spekuliert.

Foto: Reuters/Yiorgos Karahalis

Wien/Luxemburg - An Dementis mangelt es nicht. Ein Euro-Austritt Griechenlands sei in keiner Weise diskutiert worden, betonten EU-Währungskommissar Olli Rehn und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker in der Nacht auf Samstag nach einem von Spiegel Online öffentlich gemachten Geheimtreffen auf Château de Senningen in Luxemburg. Griechenlands Premier Giorgos Papandreou bezeichnete die Spekulationen "als fast schon kriminell". Intern wird dieses Szenario aber sehr wohl durchgerechnet, bestätigte ein Mitarbeiter von Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung. Vieles spricht gegen einen Austritt. Einiges auch dafür. Ein Überblick über die wichtigsten Pro- und Kontra-Argumente:

- Bankenpleiten: Gehen die Griechen zur Drachme zurück, müssten diese im Vergleich zum Euro abgewertet werden. Damit wären sämtliche Bankguthaben mit einem Schlag weniger wert. Das möchte natürlich jeder verhindern, es käme also zu einem Bankensturm. Heben alle ihre Euro-Guthaben ab, wären die Banken sofort pleite. "Kein Bankensystem der Welt könnte einen solchen Ansturm überleben", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der deutschen Commerzbank.

- Schulden bleiben: Die bestehenden Schulden Griechenlands (340 Milliarden Euro) würden weiter in Euro notieren. In (abgewertete) Drachmen umgerechnet, würde sich der Schuldenstand also sogar erhöhen. Ein Euro-Austritt wäre folglich nur in Kombination mit einer Umschuldung Griechenlands denkbar.

- Folgepleiten: Können die Griechen Teile ihrer Schulden nicht bezahlen, müssten aber ausländische Banken (vor allem deutsche und französische) enorme Abschreibungen verbuchen. Als Folge könnten auch außerhalb Griechenlands neue Bankenrettungspakete nötig sein. Außerdem müsste die EU wohl unterstützend eingreifen, wenn das griechische Bankensystem kollabiert.

- Austritt unmöglich: Ein Austritt aus dem Euroraum bei gleichzeitigem Verbleib in der EU dürfte rechtlich nicht möglich sein, schrieb Phoebus Athanassiou, Jurist der Europäischen Zentralbank, in einem Fachartikel. Griechenland müsste also auch die EU verlassen, wodurch wiederum weitere Hilfsmaßnahmen der EU-Länder kaum argumentierbar wären.

- Politisches Projekt gescheitert: Gleichzeitig wäre der Austritt aus der EU das Eingeständnis, dass das europäische Einigungsprojekt gescheitert ist.

+ Kleineres Übel: Wird die Drachme beispielsweise um 30 Prozent abgewertet, würde sich die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands drastisch verbessern. Griechische Exportgüter würden durch die Abwertung im Ausland attraktiver. Zieht die Wirtschaft wieder an, würden sich in der Folge auch die Steuereinnahmen erhöhen. Die vorhersehbaren Bankpleiten seien mithilfe der EU bewältigbar, meint der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn. Versuche man - wie jetzt - die Wettbewerbsfähigkeit über niedrigere Löhne und Preise herzustellen, führe das aber zusätzlich zu Pleiten in der Realwirtschaft. Diese könnten mit dem Währungswechsel vermieden werden. "Der Austritt aus dem Euro wäre das kleinere Übel", glaubt Sinn.

+ Mehr Tempo: Mit den beschlossenen Sparmaßnahmen kommt Griechenland nur sehr langsam aus der Krise. 2010 lag das Defizit wieder bei über zehn Prozent. Man könne aber nicht, wie Deutschland nach der Wiedervereinigung, 15 Jahre warten, um wettbewerbsfähig zu sein, meint US-Starökonom Nouriel Roubini.

+ Andere treten aus: Man könnte das Spiel freilich auch umdrehen. Nicht Griechenland, sondern wirtschaftlich erfolgreiche Länder wie Deutschland oder Österreich treten aus und gründen einen "Nord-Euro". Dafür plädiert der frühere Präsident des Bundes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf-Henkel, im Profil. Die Nordländer hätten mit weniger Inflation zu kämpfen und müssten nicht für die Südländer haften. Da der Euro mit dem Austritt dieser Länder abwerten würde, hätten die Südländer wieder eine Chance zu wachsen, meint Henkel. (Günther Oswald,  DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.5.2011)