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Es hilft ungemein, ein Autonarr zu sein, wenn man im Fiat 500 aus den frühen 1960er-Jahren Platz nimmt. Es riecht nach Benzin, es ist eng, und der damals "Nuovo 500" genannte Wagen hat weder Heizung noch Klimaanlage oder Radio.

Foto: Guido Gluschitsch

Dafür hat er neben der Handbremse zwei weitere kleine Hebel. Mit dem einen legt man eine Klappe um, die dafür sorgt, dass beim Kaltstart des Motors nicht zu viel Luft in den Vergaser kommt. Choke-Hebel waren bis zu den Einspritzmotoren ganz normal - aber junge Leute kennen das heute kaum noch. Die verstehen dann den anderen Hebel noch weniger, mit dem man den Zündzeitpunkt verstellt.

Foto: Guido Gluschitsch

Obwohl einem die Elektronik nicht beim Starten hilft, springt der kleine Fiat sofort an. Unrund und blechern klingend, rennt der nicht einmal 15 PS starke 500 Kubikzentimeter Motor im Heck des Fiat an. Es beginnt noch stärker nach Benzin zu riechen. Der Wagen vibriert im Takt des Motors und die Nervosität steigt – vor allem beim Besitzer des Wagens. Denn der Fiat 500 hat noch kein synchronisiertes Getriebe.

Foto: Guido Gluschitsch

Das heißt, wer nicht brav mit Zwischengas schaltet, ruiniert die Schaltung. Und die Bremsen entsprechen nicht ganz dem, was wir heute gewohnt sind. Auch wenn der Fiat mit entsprechendem Anlauf, Gefälle und Rückenwind laut Tachometer einen satten 100er läuft, um in diese Geschwindigkeitssphären vorzudringen, braucht er gefühlte Kilometer.

Foto: Guido Gluschitsch

Und von den sechs 500ern, mit denen wir in der Früh aufbrechen, um die Emilia Romagna zu erkunden, werden am späten Nachmittag auch nur mehr drei wieder am Ausgangspunkt eintreffen. Die andere Hälfte bleibt unterwegs liegen.

Foto: Guido Gluschitsch

Mit den knuffigen Cinquecentos fahren wir von Castelvecchio aus dorthin, wo wir mit den Fiats eigentlich nichts verloren haben, nach Sant‘ Agata Bolognese. Autonarren wissen sofort, was wir dort finden: die Automobili Lamborghini Holding S.p.A.

Foto: Guido Gluschitsch

Wir zuckeln an zwei Gallardos vorbei, die vor der Fabrik stehen, und stellen uns auf den Kunden- und Mitarbeiterparkplatz, reihen uns zwischen Supersportwagen und italienischen Alltagsautos ein – den Blick aber streng auf die edlen Gallardos gerichtet.

Foto: Guido Gluschitsch

Kaum bei der Tür des Lamborghini Museums drinnen, läuft uns ein Mann über den Weg, vor dem sich autobegeisterte Damen in den Dreck werfen würden, um seine Designerschuhe zu schützen. Er ist wie immer bestgekleidet. Der Designeranzug wirft nicht eine Falte. Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann, grüßt freundlich, eilt an uns vorbei, bremst sich vor einer Fernseh-Kamera ein und gibt dort ein Interview.

Foto: Guido Gluschitsch

Hinter ihm, nur durch die Wand des Museums getrennt, laufen gerade Gallardos und die ersten Modelle des Aventadór vom Band. Der neueste Stier aus Sant‘ Agata bringt es auf 700 PS, die er aus einem 12 Zylinder-Motor holt. Allein um diesen zusammenzubauen, brauchen die Mitarbeiter 19 Stunden.

Foto: Guido Gluschitsch

"Ein Lamborghini ist viel Handarbeit", erzählt Signore Filipani, der uns durch die Fertigungshalle führt. "850 Mitarbeiter produzieren 2000 Autos im Jahr", und mit welcher Leidenschaft sie das machen, liegt in der Luft. "Mein größter Wunsch ist, selbst einmal einen Lamborghini zu besitzen", erzählt einer der jungen Männer, während er gerade die Karosserie eines Aventadór abdeckt, damit dem Lack bei den weiteren Produktionsschritten nichts passiert.

Foto: Guido Gluschitsch

Als wir geraume Zeit später wieder aus der Fabrik kommen, wurden aus den zwei Gallardos sechs, und wir tauschen für eine Testfahrt den 14 PS-Fiat gegen den 470 PS starken Gallardo. Und ob Sie es nun glauben oder nicht: Mit dem 500er-Fiat konnten alle gleich losfahren – mit dem Gallardo hat es bei manchen Minuten gedauert, bis der Wagen ins Rollen kam.

Foto: Guido Gluschitsch

Dass wir nicht selbst ins Rollen kommen, ist unsere Sorge, nach einem Zwischenstopp im Buriani, in Pieve di Cento. Fernfahrer nahmen es als willkommene Raststation in ihre Routen auf und machten es so im ganzen Land bekannt. Seit 1990 führt Alessandra Buriani das Lokal. Fernfahrer sehen wir keine, genießen aber einen Prosecco „Blanc de Blanc", der viele andere hochwertige Schaumweine ganz schön fad schmecken lässt. Die Tagliatelle sind genau am Punkt und ähnlich bissfest wie die Trüffelscheiben, welche die frischen Nudeln garnieren.

Foto: Guido Gluschitsch

Wie man diese selbst macht, zeigt uns Maria, die Pasta-Meisterin der Cantina Bentivoglio in Bologna. "Pro Person nimmst du 100 Gramm Mehl vom Typ 00 und ein Ei", fasst sie die Zutaten zusammen. Mit einer Leichtigkeit formt sie daraus einen Teig, dass man meinen könnte, das Essen selber sei eine kompliziertere Aufgabe. Minuten später liegen handgemachte Farfalle neben Tagliolini, Tortelloni und Rigate neben Cappelletti, Tortellini und Capellini neben Maltagliati. Doch so leicht, wie es aussieht, ist es gar nicht.

Foto: Guido Gluschitsch

Selbst gute frische Pasta zu machen, bedarf einer gehörigen Frustrationsresistenz und dem guten Willen der Gäste - oder vieler Jahre Erfahrung, wie Maria sie hat. "Ich konnte als Kind schon sagen, ob die Oma, die Tante oder meine Mama die Pasta gemacht hat. Obwohl im Grunde alle die gleiche Menge des gleichen Mehls und die gleiche Anzahl an Eiern verwendet haben", erzählt der Chef der Cantina. Ihm würde übrigens nie einfallen, selbst Pasta zu machen. "Ich kümmere mich um das Geschäft." Regelmäßig holt er lokale und nationale Jazzmusiker in sein Lokal, die dann die Begleitmusik zum Gabelschlagen auf den Pasta-Tellern machen.

Foto: Guido Gluschitsch

"Spaghetti Bolognese gibt es gar nicht", ärgert sich Simona Spadoni, Anwältin aus Bologna. "Wir essen gerne die Fleischsauce, aber niemals mit Spaghetti, sondern stets mit Tagliolini. Die dicken Nudeln passen gut zur kräftigen Sauce. Unsere Spezialität sind aber die Tortellini. Wenn du zum Weihnachtsmahl keine Tortellini hast, kannst du Weihnachten gleich absagen. Entweder du machst sie selbst, oder du besorgst die Handgemachten in einem der Spezialitätengeschäfte in der Stadt. Die muss man bis zu einem Jahr vorher bestellen, um auch sicher welche zu bekommen."

Foto: Guido Gluschitsch

Wir stehen unter einer der Arkaden Bolognas und schauen hinüber in eines der erwähnten Geschäfte. Im Schaufenster hängen große Schinken wie Vorhänge, dahinter wuseln drei in weiß gekleidete Verkäufer, um die Wünsche der Kunden des bis zum Bersten vollen Lokals zu erfüllen. Das Gedränge in den Arkadengängen ist zwar etwas geringer, aber man merkt jede Sekunde, wie die malerische Studentenstadt pulsiert.

Foto: Guido Gluschitsch

Motorinos flitzen zwischen Fußgängern und Elektro-Bussen durch die Gassen. Über das Geschehen wachen die beiden schiefen Geschlechtertürme, die je nach Position des Betrachters einmal auf einander zu, oder von einander weg zu fallen scheinen.

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Vor der Fontana del Nettuno auf der Piazza Maggiore posiert ein junges Mädchen vor der Kamera ihrer Eltern, auf der rechten Seite küsst sich ein Paar, während Simona davon erzählt, wie der Papst einst dem Neptun das Gemächt abschlagen lassen wollte. Während sich die ganze Aufmerksamkeit in der Lendengegend der Statue sammelt, fällt kaum auf, dass die Waffe, die Neptun hält, das Logo einer weiteren Automarke der Emilia Romagna ist.

Foto: Guido Gluschitsch

Maserati trägt auf seinen Sportwagen den Dreizack. Das Werk in Modena ist nur wenige Minuten von Bologna entfernt. Nur wenige Kilometer sind es nach Sant‘ Agata Bolognese zu Lamborghini. Nicht weit entfernt produziert Ferrari in Maranello seine Traumwagen. Ducati, Moto Morini, Bimota - wäre die Emilia Romagna nicht das Land der Motoren, könnte man zu Fuss von Werk zu Werk gehen.

Foto: Guido Gluschitsch

Motorenhauptstadt ist aber Modena. Neben Maserati stand hier das Werk von De Tomaso und jenes von Stanguellini in der Stadt. Seit 1992 produziert auch Pagani in Modena seine Sportwagen.

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Eines dieser Autos würde auch Enrico gut stehen. Er führt das Opera 2, ein Agriturismo in Castelvetro, kümmert sich folglich weniger um PS als viel mehr um den Aceto Balsamico Tradizionale di Modena, Lambrusco, Grappa und Honig.

Foto: Guido Gluschitsch

"Mindestens 12 Jahre muss der Balsamico reifen, damit er das Prädikat Aceto Balsamico Tradizionale di Modena tragen darf", erzählt er, während er zwischen den Batterien der Essigfässer durchspaziert. "Hier in der Gegend haben viele Familien ihre eigene Batterie im Keller oder auf dem Dachboden", und so sei auch er auf die Idee gekommen, Aceto Balsamico herzustellen.

Foto: Guido Gluschitsch

Im Keller des Agriturismo, das oben mit seinen extravaganten Zimmern glänzt und mit einer hervorragenden Küche aufwartet, liegt Enricos Weinkeller. "Den Lambrusco zum Beispiel in Österreich zu verkaufen, gelingt uns nur schlecht. Nur ein Geschäft in Wien führt unseren Wein. Das was bei euch als Lambrusco verkauft wird, ist minderwertiger Wein, der sehr süß ist und deshalb einen sehr schlechten Ruf hat", erklärt er, während er zu einem Glas greift, aus einer frisch geöffneten Flasche einschenkt. "Wir bauen einen sehr trockenen Lambrusco aus."

Foto: Guido Gluschitsch

Der Wein moussiert leicht im Glas, schmeckt kräftig, nicht süß. „In Österreich kostet eine Flasche Lambrusco gerade einmal zwei Euro. Ich verkaufe diesen Wein, den Opera Pura Grasparossa um 8,80 Euro ab Hof. In Österreich kommt für den Schaumwein die Sektsteuer dazu - mein Wein ist darum in Österreich so gut wie unverkäuflich."

Foto: Guido Gluschitsch

Wer aufgeschlossen die Emilia Romagna besucht, muss damit rechnen, die Welt mit anderen Augen zu sehen, neue Sachen zu schmecken und ständig von Autos zu träumen, für die er sich vielleicht nicht einmal den Sprit leisten kann.

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Gewinnspiel:

Wir verlosen ein Buch "Lamborghini", in dem die Geschichte der italienischen Sportwagenmarke bilderreich nachgezeichnet ist.

Alles was Sie tun müssen: Schreiben Sie bis 22. 5. 2011 ein E-Mail, mit dem Betreff "Emilia Romagna", der Begründung warum gerade Sie das Buch erhalten sollen und Ihren Kontaktdaten an gewinnspiel@gluschitsch.com.

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