tUnE-yArDs: "Whokill" (4AD)

Foto: 4AD

So ein Unterfangen kann natürlich leicht schiefgehen. Immerhin weiß man, dass exzentrische Menschen oft dazu neigen, ihre Exzentrität als Alleinstellungsmerkmal stolz als Orden zu tragen. Dadurch entsteht gerade auch im Musikalischen eine gewisse Form der Überladung, der alles, speziell der Song an sich, untergeordnet wird. Bei Merrill Garbus' Debüt BiRd-BrAiNs aus dem Jahr 2009 war diese Möglichkeit zum Absturz in die Beliebigkeit des Überbordenden nicht nur einmal gegeben. Die Heimwerkerkönigin aus den USA pumpte in ihre Kunst alles, was sich über die Jahre an äußeren Einflüssen aufgestaut hatte. Sie schoss mit vollen Rohren auf Spatzen.

Für ihr nun vorliegendes zweites Album hat Merrill Garbus alias tUnE-yArDs nicht nur ihren Laptop gepackt und ihre Wohnung Richtung reguläres Tonstudio verlassen. Es ist auch eine gewisse Konsolidierung und Selbstbescheidung festzustellen. Nicht, dass neue Songs wie der mit tribalistischem Kochtopf-Geklöppel befeuerte Eröffnungssong My Country oder der mit jamaikanischer Dancehall und Breakbeats ordentlich aufgeheizte Track Gangsta in die Gefahr geraten würden, langweilig zu klingen. Die junge Frau legt noch immer größten Wert darauf, dass neben Saxofongetröte im Stile eines Tom Waits und Maschinenpistolengeknattere auch Versöhnliches aufblitzt. Gerade der zwischen fauchendem Kleinmädchen und kehliger Breitbeinigkeit einer sardonischen Kampf-Amazone angelegte Gesang der Merrill Garbus spielt in diesem Zusammenhang alle Stücke.

Auch die Ende der Nullerjahre beliebte Technik, eine Ukulele in das Garage Band-Programm des Computers zu zwingen, erfährt auf dem neuen Album Whokill eine Fortsetzung, etwa in der gegen die Norm frisierten Reggae-Dub-Ballade Powa. Allerdings achtet Garbus darauf, ihrer musikalischen Sprunghaftigkeit insofern eine gewisse Kontinuität zu verleihen, als neben den alles bestimmenden Rhythmusschlaufen eindeutige Unterscheidungen zwischen Strophe und Refrain möglich sind. Das klingt dann mitunter so, als habe man alte Lieder von Sting und The Police mit Paul Simons polyrhythmischen Call-and-Response-Afrikaabenteuern vermantscht und durch einen Fleischwolf gedreht.

Relativ konventionelle Klänge wie jene in You Yes You ("Home is where the heart is and my home is inside you.") zeugen schließlich davon, dass tUnE-yArDs durchaus gern gehört werden würde, ohne dass das Publikum dafür extra Geld verlangt.

Wooly Wolly Gang, der achte Track dieser mit neun Songs zumindest zeitlich schmal gehaltenen Tour de force, ist ein Schlaflied für unruhige Vollmondnächte. Am Ende tritt mit Killa gar noch ein Ukulele-Funk auf den Plan, der mit live nachgespielten Bass-Samples von alten Grandmaster-Flash- und Kurtis-Blow-Platten dafür sorgt, dass dieses Album für seine Verhältnisse sogar noch so etwas Ähnliches wie eine Erdung erfährt. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Printausgabe, 13.5.2011)