In den Gärten von Geoffrey Bawa und seinem Bruder Bevis ist im Kleinen das zu sehen, was die Besonderheit dieses Architekten ausmacht. Die beiden Bilder stammen aus dem "Brief Garden"

Foto: Hilpold
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Die Universität von Ruhunu, ...

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... darunter zwei Bilder aus dem Lighthouse Hotel.

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Anreise & Unterkunft:

Es gibt keinen Direktflug nach Colombo von Österreich. Die Hotels Blue Water, Lighthouse Galle und Kandalama sind zu guten Preisen bei vielen Reiseveranstaltern buchbar, Unterkünfte in Lunuganga am besten über www.lunuganga.com. Besichtigungen nach Voranmeldung.

Allgemeine Infos: www.srilanka.travel

Grafik: DER STANDARD

Am besten man beginnt beim Bruder. Irgendwann hinter Bentota, nachdem die Straße schon lange in eine Art Feldweg mit vielen Schlaglöchern übergegangen ist und sich die Küstenlandschaft mit ihren ewigen Palmenhainen in eine von Reisfeldern durchzogene Hügellandschaft gewandelt hat, steht man mitten im Urwald vor zwei Eingangstoren. Das eine führt in eine Art Tunnel, der in die Villa oben am Hügel führt, das andere in den von Alleen und Treppen durchzogenen Park. Auch er ist ein Urwald – allerdings einer, der klaren Gesetzmäßigkeiten gehorcht.

Und zwar jenen von Bevis Bawa, einem Künstler, einem Journalisten, einem Lebemann. Er ist der Bruder von Geoffrey Bawa, dem berühmtesten Architekten von Sri Lanka und vielleicht auch der Tropen. Geoffrey darf für sich beanspruchen, die klare, funktionale Bauweise der Moderne mit den Gesetzen des Dschungels in Einklang gebracht zu haben, mit der wuchernden Pflanzenwelt, den wechselnden Farbenspielen und permanenten Geruchsattacken.

Um ihn (und vielleicht auch ein bisschen Sri Lanka) zu verstehen, sollte man zuerst einmal einen Spaziergang durch den (in kaum einem Reiseführer verzeichneten) Garten seines Bruders machen. "Hier finden Sie im Kleinen alles, was die Architektur seines Bruders ausmacht", sagt Ananda W. A., der Hausmeister des Anwesens, der bereits zu Lebzeiten von Bevis (1909-1992) hier beschäftigt war. Eine Bauweise, die ganz auf die Natur ausgerichtet ist. In Sri Lanka würde wahrscheinlich auch nichts anderes Sinn machen.

Pakt mit der Natur schließen

Die Vegetation spielt auf der kleinen tropischen Insel an der Südspitze Indiens nämlich alle Stückerln. Alles, was hier auf Ewigkeit ausgerichtet ist, sollte einen Pakt mit ihr schließen. Das haben auch die Bawas verstanden, die aus einer privilegierten Rechtsanwaltsfamilie mit sowohl englischen als auch ceylonesischen Wurzeln aus Colombo stammen. Während Geoffrey nach Cambridge ging, um Rechtswissenschaften zu studieren, machte Bevis in der Armee Karriere. Nebenbei wandelte er ab 1929 eine ehemalige Kautschukplantage, die sich im Besitz seiner Eltern befand, in den von ihm sogenannten "Brief Garden" um – einem privaten Rückzugsgebiet, mehrere Stunden beschwerlicher Autofahrt entfernt von Colombo, in dem Vivien Leigh und Laurence Olivier genauso zu Gast waren wie Edward VIII.

Letzterer dürfte sich an englische Gärten erinnert gefühlt haben. Deren Strukturprinzip einer behaupteten Strukturlosigkeit, der scheinbar natürlichen Sichtachsen und der wie selbstverständlich vor dem Auge auftauchenden Statuen und Tempel, beherrscht auch Bawas "Brief Garden" – nur dass dieses Arkadien inmitten der Tropen steht und von einer kleinen Residenz gekrönt wird, aus deren Häusl man einen Blick auf Lianen und aus der Bibliothek auf nackte Adonisse genießt. "Nein, Bevis Bawa war nie verheiratet", sagt der Hausmeister und blickt dann angestrengt zur Seite.

Kunstwerke seiner Freunde (v. a. des australischen Malers Donald Friend) und von ihm selbst sind über das Haus verteilt bzw. sind selbst zu einem Teil des Hauses geworden. Genauso wie die Natur ein Bestandteil der offenen, auf Sichtachsen ausgerichteten Architektur ist, ist es auch die Kunst. Wenn das Wort Gesamtkunstwerk Sinn macht, dann mit Sicherheit hier.

Beziehungsweise in Lunuganga, dem Landsitz von Geoffrey Bawa, in dem all das, was im Lustgarten seines Bruders angekündigt ist, auf die nächsthöhere Ebene gehoben erscheint. Er ist nur eine halbe Stunde TukTuk-Fahrt vom "Brief Garden" entfernt. Am Ufer des Dedduwa Sees erstreckt er sich über eine tropische Hügellandschaft von 25 Hektar. Erst nach einer kleinen Ewigkeit öffnen sich an diesem schwülen Nachmittag die wuchtigen Tore. Normalerweise ist das Anwesen nur nach Voranmeldung zu besich-tigen.

Nach dem Tod von Bawa (2003) wandelte die Stiftung, die sein Erbe verwaltet, das Landhaus in ein kleines Hotel um – mit gerade einmal vier (äußerst exklusiven) Zimmern.

Lunuganga war Bawas Laboratorium. Viele Elemente, die in seinen Hotelbauten (20 konnte er realisieren, die meisten davon auf Sri Lanka) wiederkehren, kamen hier erstmal zum Einsatz. Sie atmen den Geist von "Brief Garden". Doch die Eingriffe in die Natur sind radikaler, die Anlehnungen an die englischen Landschaftsgärten klarer, die Architektur eine Mischung aus englischen und portugiesischen Kolonialbauten und den minimalistischen Lösungen des Japaners Tadao Ando. Ähnlich wie beim berühmten japanischen Architekten basiert auch Geoffreys Architektur auf Sichtbeton. Seine Klarheit und Kühle steht im markanten Kontrast zu der ihn umgebenden Vegetation.

Wichtiger als das Wort "Kontrast" ist in Bawas Welt aber das Wort "Echo". Alle seine Bauten stehen in einem Dialog mit der Geschichte und den Gegebenheiten von Sri Lanka. Weswegen eine Reise auf den Spuren dieses Architekten auch eine Reise durch die Vergangenheit und Gegenwart des Landes ist. Das von Bawa Anfang der Achtzigerjahre neu errichtete Parlament in einem Vorort von Colombo thront wie ein Kloster aus der Anaradhapura-Periode auf einer künstlich geschaffenen Insel. Sri Lanka lebt am, vom und mit Wasser. Wasserbecken und Wasserkaskaden sind denn auch zentrale Elemente von allen Bawa-Bauten.

Auch von Lunuganga, wo der Dedduwa-See in Form von exakt angelegten Reisfeldern in das Anwesen verlängert wurde. 1948 hat Bawa die ehemalige Kautschukplantage gekauft, 1957 begann er damit, Terrassen in die Hügel zu hauen, Wälder umzupflanzen und das Haupthaus von innen nach außen zu stülpen. "Aufzeichnungen, in welcher Abfolge und nach welchem Plan er dabei vorging, hat Geoffrey keine hinterlassen", bemerkt der Haus-Manager, der zwölf Jahre mit dem Architekten gearbeitet hat, aber nicht namentlich genannt werden möchte. Sicher ist nur, dass Lunuganga eine Art Echoraum ganz anderer, weitaus bekannterer Bawa-Bauten ist.

Hotels als Echoräume

Das berühmte Kandalama-Hotel.
Foto: Hilpold

Im Garten thronen dieselben wunderbar geschwungenen Sessel, die im Blue Water Hotel in Wadduwa, zwei Stunden südlich von Colombo, stehen. Dies ist Bawas letztes Hotel, und in seiner Klarheit und seinen Durchblicken auch eines seiner gelungensten. Die Wandmalereien in einem Durchgang im Garten stellen ähnliche Kriegsszenarien dar wie die Skulpturen von Laki Senanayake im blutrot getünchten Stiegenhaus des Lighthouse Hotel in Galle. Die portugiesische und holländische Vergangenheit des Fort von Galle lebt in diesem Luxushaus – gebrochen durch die Linse von Bawa – weiter.

Am spektakulärsten ist aber das sich einen Kilometer um einen Hügel schlängelnde und über und über mit Schlingpflanzen bewachsene Kandalama-Hotel unweit von Dambulla. Es versteckt sich mitten in der Wildnis über einem riesigen Wassertank. Der Fels ist ins Haus integriert, die Natur, die immer schon Teil von Bawas Architektur war, wird hier selbst zu Architektur. Dabei liegt das Hotel in der nördlichen Trockenzone von Sri Lanka, unweit des berühmten Felsens von Sigiriya und seinen barbusigen "Wolkenmädchen".

"Im Sommer, wenn die Wasserreserven schwinden, kommen die wilden Elefantenherden zum Trinken an den See", erklärt der Naturführer Lakshman Senanayake, der hier regelmäßig frühmorgens auf Vogelschau geht. Jetzt, Ende März, ringeln sich dagegen die Schlangen über den Rasen und turnen die Affen vor den Fenstern. Das Prinzip des Hauses ist, dass man nicht darauf schaut (es verschwindet ohnehin in seiner Umgebung), sondern dass man aus ihm Ausschau hält: auf den See, auf die tropischen Wälder, auf den Felsen von Sigiriya am Horizont.

Und das rund um die Uhr – ob die Lianen und Geckos vor dem Badefenster oder der komplett von Grün umgebene Speisesaal: Geoffrey Bawa hat Kandalama (fertiggestellt 1994) wie einen riesigen Ozeandampfer aus Beton, Stahl und Glas konzipiert – nur dass man nicht das Gefühl hat, über See, sondern durch die wilde Natur zu schippern.

Entstanden ist ein kleines Stück Sri Lanka, das wie sein Landsitz oder der Garten seines Bruders, all das vereint, was diese Insel ausmacht – und das mitten in der Wildnis. (Stephan Hilpold/DER STANDARD/Rondo/13.05.2011)