"Die Dinge, die ich von der ÖVP höre, sind neue Töne in ganz alten Hörnern."

Foto: Der Standard/Urban

Daher, sagt Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), müsse sie bei Verhandlungen oft harte Bretter bohren.

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"Es muss erkannt werden, dass es nicht immer das Beste ist, wenn Kinder möglichst lange bei der Mutter bleiben."

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Standard: Vizekanzler Michael Spindelegger hat Familienpolitik zu seinem "Herzensanliegen" erklärt. Wie weit teilen Sie die familienpolitischen Ansichten der ÖVP?

Heinisch-Hosek: Familienpolitik ist auch ein Herzensanliegen der Sozialdemokratie. Moderne Familienpolitik bringt Frauen weiter. Die Dinge, die ich von der ÖVP höre, sind neue Töne in ganz alten Hörnern. Wir haben unser Familienbild weiterentwickelt, das beinhaltet eine moderne Definition von Familie auch außerhalb von Mutter-Vater-Kind. Wir haben Familien ohne Kinder, Ein-Eltern-Familien oder gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern, sogenannte Regenbogenfamilien. Es gibt natürlich Meinungsunterschiede mit dem Koalitionspartner, was Familie bedeutet. Aber wir müssen die Buntheit und Vielfalt anerkennen und Antworten finden. Zum Beispiel für die Rechtslage von Patchworkfamilien.

Standard: Eine alte Forderung ist, dass Eltern, die nicht im selben Haushalt wohnen wie ihre Kinder, Pflegeurlaub nehmen können. Ist das für Sie vorstellbar?

Heinisch-Hosek: Das war in einem Gesetzesentwurf zu einer Novelle des Familienrechts bereits enthalten, jetzt müssen wir das weiter diskutieren. Neben der Pflegefreistellung würde ich mir auch wünschen, dass es möglich ist, den dazugekommenen Elternteil als Angehörigen zu sehen, dann hätte er oder sie mehr Rechte, was zum Beispiel Auskunft im Spital betrifft. Das ist bisher nur geregelt für Patchworkeltern, die verheiratet sind. Ich würde mir auch wünschen, dass in Regenbogenfamilien die Stiefkindadoption möglich wird - die Fremdkindadoption wäre der nächste Schritt. Im Namensrecht gäbe es auch einiges zu verändern, Doppelnamen für Kinder zum Beispiel. Für Ein-Eltern-Familien ist es wichtig, dass der vorläufige Unterhalt, der vom Gericht ausgesprochen werden kann, höher angesetzt wird.

Standard: Österreich hinkt bei den EU-Zielen für die Betreuung Unter-Dreijähriger hinterher. Sie wollen die Anstoßfinanzierung für den Ausbau der Kindergärten im Herbst fortsetzen. Gibt es da Gespräche?

Heinisch-Hosek: Da warte ich auf Rückmeldung von Familienminister Mitterlehner, wann er für ein Gespräch Zeit hat. Die gute neue Nachricht ist, dass wir wirklich Geld zur Verfügung haben, weil es nicht abgeholt wurde aus der Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten und aus den Kinderfreibeträgen. Da waren für 2009 300 Millionen budgetiert, und wir haben noch über 200 Millionen. Das heißt, die 15 Millio-nen Anstoßfinanzierung sind eine ganz kleine Summe, aber mit großer Wirkung.

Standard: Warum ist so viel Geld übrig? Wurde falsch budgetiert, oder sind die Eltern schlecht informiert?

Heinisch-Hosek: Es gibt auch andere steuerliche Begünstigungen, die nicht von allen, die es könnten, tatsächlich geltend gemacht werden. Wichtig ist für mich: Es bleibt hier eine beachtliche Summe, die andere Projekte möglich macht.

Standard: Um 200 Millionen Euro kann man sich aber einiges mehr wünschen als einen Zuschuss für den Ausbau der Kinderbetreuung.

Heinisch-Hosek: Wir könnten die Anstoßfinanzierung auch verdoppeln, aber da bin ich bescheiden. Mit den 15 Millionen Euro pro Jahr (die die Länder verdoppeln müssen, Anm.) können wir zigtausende Plätze schaffen. Ich denke auch, dass zur Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds Geld nötig ist, der ist ja ständig im Minus.

Standard: Kinderbetreuung ist eigentlich Ländersache. Wenn der Bund Geld zur Verfügung stellt, wünschen Sie sich auch Einfluss?

Heinisch-Hosek: Mein Wunsch ist selbstverständlich ein Bundesrahmengesetz für die Kinderbetreuungseinrichtungen mit Qualitätskriterien, damit alle die gleichen Angebote haben. Ich bin überzeugt, dass alle qualitativ das Beste wollen, aber die Rahmenbedingungen sind oft sehr schwierig für Eltern, wenn der Kindergarten neun Wochen im Jahr geschlossen ist oder über Mittag zusperrt. Deshalb brauchen wir einen Bundesrahmen, wo man festlegt, so viele Tage im Jahr darf der Kindergarten maximal geschlossen sein, er soll mindestens acht Stunden pro Tag offen haben, ein warmes Mittagessen anbieten, und so weiter.

Standard: Da höre ich die Landesräte rufen: Das brauchen wir nicht.

Heinisch-Hosek: Ich würde gerne die Eltern rufen hören, was sie brauchen, und ich glaube, das würde sich schon ganz anders anhören, denn die Welt ist nicht überall in Ordnung. Vom Bodensee bis zum Neusiedler See brauchen Eltern einheitliche und qualitätsvolle Angebote.

Standard: Schon Ihre Vor-Vor-Gängerin Doris Bures hat über den Papamonat verhandelt, warum gibt es den noch nicht für alle?

Heinisch-Hosek: Das ist ein großes und wichtiges Projekt. Der öffentliche Dienst ist da Vorbild. Wenn wir einen Papamonat für die Privatwirtschaft hätten, dann glaube ich, dass das bei Vätern die Lust auf das In-Karenz-Gehen wecken würde. Das könnte über das Kinderbetreuungsgeld geregelt werden und würde keine Mehrkosten verursachen. Ein gewisser Prozentsatz an Vätern in Karenz ist ja budgetiert.

Standard: Woran scheitert es dann, wenn es nichts kostet?

Heinisch-Hosek: Da warte ich nur auf den Termin mit dem Kollegen Mitterlehner.

Standard: Warum sind Veränderungen im Familienbereich so zäh?

Heinisch-Hosek: Wenn jemand sehr traditionell in seinem Familienbild verhaftet ist, wird es langwierig. Hier gehört ein Modernisierungsschub her. Der ist zum Teil gelungen mit der eingetragenen Partnerschaft, aber manches ist dennoch das Bohren harter Bretter. Es muss erkannt werden, dass es nicht immer das Beste ist, wenn Kinder möglichst lange bei der Mutter bleiben. Da haben wir eine zu lange etablierte Tradition. Es dauert halt noch ein bisschen, dieses Umdenken herbeizuführen. (Andrea Heigl, DER STANDARD; Printausgabe, 14./15.5.2011)