Wien - Disziplinarverfahren gegen Richter oder Staatsanwälte sollen transparenter werden. Die bisher strikter Geheimhaltung unterliegenden Entscheidungen sollen künftig veröffentlicht werden können. Dies sieht das neue Disziplinarrecht vor, das zwischen Justizministerium und Standesvertretern ausverhandelt wurde. Außerdem wird der Strafenkatalog gestrafft und die Möglichkeit bedingter Strafnachsicht eingeführt - als Anreiz für säumige Richter, Aktenberge abzuarbeiten.

Der Entwurf ist justizintern - von OGH, Oberlandesgerichten, Oberstaatsanwaltschaften und Generalprokuratur - bereits begutachtet. Demnächst wird er dem zuständigen Bundeskanzleramt für den weiteren Gesetzgebungsprozess übermittelt. Die Verhandlungen dauerten geraume Zeit, die frühere Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) hat schon mehrfach mehr Transparenz, aber auch eine Verschärfung angekündigt.

Strenger wird das Disziplinarrecht laut dem Entwurf insofern, als mildere Sanktionen wie Ermahnung oder Verwarnung wegfallen. Die geringste Strafe wird der Verweis sein. Andererseits wird eine auf Dauer oft folgenreiche Strafe gestrichen - nämlich die "Ausschließung von der Vorrückung". Ihre Auswirkungen bis hin zur Pensionshöhe waren kaum absehbar, weshalb sie auch selten verhängt wurde.

Als Anreiz, Rückstände abzuarbeiten, sieht das Justizministerium die neue Möglichkeit, die "Minderung der Bezüge" künftig nach einem halben Jahr bedingt nachzusehen. Versetzungen (bisher nur an einen anderen Dienstort) sollen künftig auch in die nächstniedrigere Gehaltsgruppe möglich sein.

Mit der Lockerung der Geheimhaltungspflicht reagiert die Justiz auf das wachsende öffentliche Interesse - immer wieder werden Richtern und Staatsanwälten Verfehlungen vorgeworfen. Dem Eindruck, dass vermuteten Missständen nicht nachgegangen würde, versucht man, mit dem Entwurf entgegenzutreten - und zu beweisen, dass durchaus "Selbstreinigungsfähigkeit" besteht.

Bisher konnte nur bekanntgegeben werden, dass ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde - aber nicht, wie es ausging. Künftig sollen Mitteilungen über den Verfahrensausgang zulässig sein - freilich mit Rücksicht auf schutzwürdige Interessen Dritter. Auch im Rechtsinformationssystem sollen Disziplinar-Entscheidungen, allerdings stark anonymisiert, veröffentlicht werden.

Dass bisher Betroffene selbst nicht mitteilen durften, dass sie freigesprochen wurden, missfiel auch den Richtern. Weshalb der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl, die Veröffentlichung als "großen Vorteil" sieht. Insgesamt werde das Disziplinarrecht "etwas strenger", aber die nicht sinnvollen Strafen würden gestrichen.

Die Verfahren sollen überdies straffer werden: Die Disziplinarsenate werden von fünf auf drei Richter verkleinert, Fristsetzungsanträge sollen möglich werden. (APA)