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"Desdemona" im Theater Akzent.

Foto: AP/Lilli Strauss

Wien - Seinem letztjährigen Othello, den man in erster Linie Philip Seymour Hoffmans wegen in Erinnerung behalten hat (er spielte den Intriganten Jago), schickt Regisseur Peter Sellars nun noch eine Desdemona hinterher: Die vom schwarzen Heerführer aus Eifersucht erdrosselte Gattin meldet sich mit weiblicher Verstärkung aus dem Jenseits zurück.

Im Beisein eines geschmeidigen Frauenchors gibt sie uns, den Nachgeborenen und mit Shakespeares verheerendem Tragödienschluss Alleingelassenen noch ein paar Ezzes in Sachen Rassismus, Liebe, Glück und Unglück im Umgang mit herrschsüchtigen Männern mit auf den Weg. Keine Geringere als Nobelpreisträgerin Toni Morrison hat zusammen mit Peter Sellars und der Sängerin Rokia Traoré diese Desdemona-Rede geschrieben, als gefühlvoll intoniertes Erzähltheater hatte es am Sonntag im Theater Akzent seine Uraufführung.

Und als hätte es kein Erzähltheater vor ihm je gegeben, platziert Sellars die New Yorker Schauspielerin Elizabeth Marvel in einer Mikrofoninstallation an der Rampe und lässt sie, von den geschmeidigen Gesängen und Bewegungen dreier Background-Girls unterstützt, ihre scheinbar feministischen Anliegen vorbringen. Dabei bleiben die Rollenbilder der Geschlechter in den gefestigten Mustern stecken (Stichwort: Sinnlichkeit der Frauen), und es ergießen sich mit der lieblichen Musik von Rokia Traorés Band antirassistische Plattitüden über die Zuschauerschaft, dass man nicht recht weiß, wie ernst man das denn nun nehmen soll.

Aus der unerfreulich zu Ende gegangenen Ehe ziehen Desdemona und Othello nunmehr die Erkenntnis, dass sie schon viel früher so offen und ehrlich miteinander hätten sprechen sollen, wie sie es in den von Marvel stimmstark vorgetragenen Dialogen post mortem nun getan haben. Nachher ist man eben immer klüger. Auch das einstige Kindermädchen Desdemonas, eine liebevolle, schwarze Sklavin namens Sa'ran, hat über die schöne Stimme Traorés noch einige Korrekturen in Bezug auf ihre Person durchzugeben, detto Emilia und Cassio, zwei an der Intrige unterschiedlich schwerwiegend Beteiligte. Das ist außerdramatische Hintergrundinfo, die man eher als Proseminarthema denn als Theateraufführung erwartet.

Der inhaltlichen Schwäche dieser Produktion steht ein nicht minder unbedarftes, auf Wohlfühlstimmung abzielendes Bühnengeschehen entgegen, in dem der groß projizierte Text (deutsche Übersetzung) integraler Bestandteil ist, getaucht in das Licht- und Schattenspiel des Sellars-erprobten James F. Ingalls. Dem kontemplativen Abend wurde schlussendlich aber heftig applaudiert. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD - Printausgabe, 17. Mai 2011)