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Die steile Karriere von Dominque Strauss-Kahn ist vorzeitig beendet.

Foto: APA/EPA/Etienne Laurent

Der Präsident ist unbeliebt, die Wirtschaft dümpelt vor sich hin, der Arbeitsmarkt, ein Graus und die Wahl 2012 rückt näher. Frankreich hätte andere Baustellen als die offenen Fragen um eine Frau. Viel weiß man nicht gerade über sie. 32 Jahre alt, aus Guinea. Seit drei Jahren angestellt im New Yorker Nobelhotel Sofitel. Das derzeit berühmteste Dienstmädchen wirft dem derzeit mächtigsten Banker sexuelle Übergriffe vor. Frankreich, Revolutionen gewohnt, hat ein Problem mehr: Ist der Vorzeige-Karrierist Dominique Strauss-Kahn ein Gewalttäter? Wenn ja, ist der IWF-Chef, vormals auch bekannt als französischer Präsidentschaftskandidat in spe, politisch erledigt. Wenn nein, ist sein Image ebenfalls unwiederbringlich ramponiert.

Dabei trug er lange Zeit die Insignien der Macht. Gewieft wie er war, nutzt er mit seinem Amtsantritt 2007 die Chance der Stunde, die sich dem Währungsfonds mit der Finanzkrise bietet. Peu à peu verwandelt er die bis dahin gefürchtete Institution in das wichtigste Instrument im Kampf gegen die Krise. Strauss-Kahn stellt soziale Folgekosten in den Vordergrund. Diese bekommt der bekennende Frauenfreund ("Ich liebe die Frauen, et alors - na und?") und Sozialist jetzt am eigenen Leib zu spüren. Denn wer viel gibt, kennt sich auch aus im Nehmen: Möglicherweise ein Dienstmädchen in Frankreich, vielleicht auch ein bestelltes Mädchen in einer 3.000-Euro-Hotel-Suite oder ein zufällig vorbeischauendes Zimmermädchen in Amerika. Fakt ist, dass die USA gegen Sexualdelikte mit aller Härte vorgehen: Strauss-Kahn drohen bis zu 25 Jahre Haft.

Die von Herrn Strauss-Kahn gebetsmühlenartig als "Komplott" abgetanen Vorwürfe werden die Justiz zu Recht längere Zeit beschäftigen. Journalistinnen verweigern reihenweise Einzelinterviews, die Zahl der "angegrapschten" Frauen nimmt zu, selbst für Air-France-Stewardessen war sich "DSK" möglicherweise nicht zu fein. Kleine Freuden, so scheint's, als Ausgleich zu einem opulenten Leben. Der "Kaviar-Linke", wie ihn die Franzosen bereits bezeichnen, besitzt eine Villa im Washingtoner Luxus-Viertel Georgetown - geschätzter Wert: 2,9 Mio. Euro -, ein Ferienpalais in Marrakesch, sowie ein Appartement am ältesten Platz in Paris, der Place des Vosges, um 3,9 Mio. Euro. Vor irgendeinem dieser Domizile parkt ein schwarzer Panamera. Wen wundert, dass Porsche France auf die im Internet verbreiteten Fotos pikiert reagierte und umgehend Anzeigen schaltete. Schlagkräftiger Bildtext unter dem Panamera: "Porsche macht keine Politik. Nur schöne Autos."

Ein Kompliment sieht anders aus. Ein Arbeiterführer auch.

So muss sich die Sozialistische Partei (PS) in Frankreich denn auch auf eine Zukunft ohne Strauss-Kahn vorbereiten. Parteichefin Martine Aubry, zuständig für Arbeit und Soziales, hegt Hoffnungen, sich bei den Vorwahlen im Oktober bei den Sozialisten durchzusetzen. Noch bessere Karten hat der PS-Vorsitzende François Hollande. Laut einer Internet-Umfrage von Mitte Mai liegt er deutlich vor seiner Parteikollegin. Auch Ségolène Royal wird ein Wörtchen mitreden wollen. Innerparteiliche Grabenkämpfe sind vorprogrammiert. Strauss-Kahn selbst lag bis vor kurzem in Umfrage-Werten mit 69:31 Prozent weit vor Sarko. Diese Schlacht bleibt den Franzosen wenigstens erspart. Revolutionen finden eben nicht immer statt. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 17.5.2011)