Unerwartete Unterstützung erhält Erste-Bank-Chef Andreas Treichl von Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner, ehemals Abgeordneter des Liberalen Forums: Er teilt die Kritik des Erste-Bank-Chefs Andreas Treichl und geht sogar einen Schritt weiter. Haselsteiner spricht im Ö1-Mittagsjournal von einer Negativ-Auslese in der Politik. Er ist der Ansicht, dass die meisten Politiker ein "eklatantes Manko" im Wirtschaftsverständnis hätten und sieht die Parteien gefordert.

"Woher sollten die Politiker das Wirtschaftsverständnis auch haben, wenn sie aus den geschützten Bereichen kommen", argumentiert Haselsteiner im Ö1-Interview. Konkrete Namen will er nicht nennen, er wolle aber das Augenmerk auf eine "bedrohliche Entwicklung" lenken. Das hänge aber nicht von der Regierung ab, sondern sei in erster Linie ein Problem der Parteien. Die müssten dafür sorgen, dass in den eigenen Reihen die Qualität nicht zu kurz kommt. Ein Schritt dazu wäre, dass politische Funktionen zeitlich begrenzt wären und nicht auf Lebenszeit.

Häupl unterstützt Kritik an Basel III

Politiker sollten außerdem nicht allein von diesem Amt ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen und davon abhängig sein. "Wir wünschen ja, dass die Politiker das tun, was für das Volk und die Wirtschaft optimal ist, und nicht das, was sie tun müssen, damit sie wiedergewählt werden. Denn das ist oftmals eine deutliche Diskrepanz.

Unerwartete Schützenhilfe erhält Treichl auch von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), wenngleich auch nicht in allen Punkten. "Wenn er meint, dass die Basel-Abkommen Mist sind, gebe ich ihm in der Sache Recht", erklärte Häupl am Dienstag in der Bürgermeister-Pressekonferenz. Jedoch seien es keine Politiker, die die neuen Richtlinien erarbeitet hätten, betonte der Bürgermeister.

Die Form, in der Treichl seine Kritik geäußert habe, wolle er nicht "so ganz ernst nehmen", sagte Häupl. Treichl sei offenbar ungehalten gewesen und habe seinen Unmut zum Ausdruck gebracht. "Wenn man Kritik übt, dann soll man sie aber punktgenau üben und nicht so oberflächlich, weil sonst wird es zum Vorurteil", befand der Bürgermeister.

Die Basel-Richtlinien würden jedenfalls vom Basel-Ausschuss erarbeitet: "In dem sitzen Vertreter der Banken und der Bankenaufsicht. Da ist kein einziger Politiker dabei", so Häupl. Darum stelle sich die Frage, "wer denn da so blöd ist". Politiker seien lediglich dafür verantwortlich, wenn Richtlinien in das Rechtswesen der Europäischen Union übernommen werden.

Ex-Kanzler Gusenbauer: Bankenpaket bewusst großzügig

Dem früheren Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), der im Oktober 2008 mit dem damaligen VP-Finanzminister Wilhelm Molterer das 100 Mrd. Euro schwere Bankenhilfspaket geschnürt hat, gehen die Wogen zu hoch, nach der Politikerschelte von Erste-Chef Andreas Treichl. Als es in der Finanzkrise galt, Gefahr zu vereiteln, sei es gemeinsames Anliegen gewesen, das Schlimmste zu verhindern. "Ich habe mich nicht so gefühlt, dass da die Bittsteller und dort die Gönner waren", sagte Gusenbauer.

Österreich habe sein Bankenhilfspaket bewusst großzügig angelegt. Ein Schutzschirm, der zu klein gewesen wäre, wäre permanent auf seine Wirksamkeit getestet worden. "Wenn es sich wie beim Bankenapparat um so einen dominanten Sektor der Wirtschaft handelt, hat eine Bankenkrise extreme externe Effekte". Und bei den staatlichen Partizipationsscheinen an die Geldinstitute habe es sich keineswegs um ein Geschenk gehandelt. Mit Ausnahme jener Institute, die verstaatlicht werden mussten (Hypo Alpe Adria, Kommunalkredit) hätten rein formal alle die Wahl gehabt, zuzugreifen oder nicht. Man habe sich damit auch Diskussionen wie in Großbritannien erspart. Die Republik habe in Österreich "nur dort verstaatlicht, wo es keine andere Möglichkeit gab".  Die Schärfen, die die neuen Kapitalregeln (Basel III) für die Kreditvergabe an Unternehmen bedeuten können, dürften aber nicht unter den Tisch gekehrt werden, findet Gusenbauer. "Das dürfen wir nicht geringschätzen".

SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer hatte es wegen der Kritik des Erste-Chefs an Politikern als schlechte Optik bezeichnet, wenn Banker zuerst Politik und Steuerzahler um Hilfe bitten und dann, wenn sie die Hilfe bekommen hätten, Raffgier und Abgehobenheit an den Tag legten.

Beifall von Unternehmern

Inhaltlich wollte Treichl von seinem Sager bisher nichts zurück nehmen. Von gleichfalls nicht zimperlichen Unternehmern, darunter Niki Lauda, kam Applaus. Der Airline-Unternehmer teile Treichls Frust über die Politik, sagte er gegenüber der Zeitung "Österreich". "Ich kann nur sagen, dass ich einen ziemlichen Verdruss habe und mir manchmal schwertue, unter den herrschenden Bedingungen hier motiviert zu arbeiten. Vieles kritisiere ich seit Jahrzehnten, aber nichts ändert sich." Lauda sprach die Luftfahrt an, und hier wieder die Vorstandspostenbesetzungen.

"Mir fehlt manchmal echt die Lust, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Und anderen Unternehmern in Österreich geht es ähnlich. Unmut und Verdruss sind groß", so Lauda. Schon am Montag hatte Treichl einigen Applaus von Unternehmern erhalten, unisono wurde aber der Stil der Aussagen kritisiert.

Androsch: Probleme gemeinsam lösen

"Diese Verbalinjurien sind genauso entbehrlich wie das Banken-Bashing der Politik", sagte der Unternehmer und ehemalige Finanzminister Hannes Androsch über den Treichl-Sager. Statt wechselseitiger Beschuldigungen zwischen Bankern und Politikern sollten beide Gruppen lieber gemeinsam Lösungen suchen, appelliert er in einer "Gegenrede" zu Treichl. In der ZIB 2 am Montagabend sagte Androsch: "Dass die Banken unschuldig sind am dem Desaster kann man nicht behaupten." Gleichzeitig betonte er: "Die öffentlichen Institutionen und die Politik sind mitschuldig." Man müsse die Probleme gemeinsam lösen.

Wissenschafter kritisieren Treichl

Wissenschafter stimmen Treichl in seinem kritischen Urteil über die Kreditvergabepolitik nicht zu. Bankerkollegen in Wien fürchteten, dass Treichls Verhalten der Branche keinen Dienst erwies - öffentlich äußern wollte sich zunächst aber keiner.

Der Finanzexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, Franz Hahn, kann die Kritik nicht teilen. Basel III baue die bisher schon (Basel II) bestehende Bewertung von Kreditausfallsrisiken lediglich aus, argumentiert er.

Dass eine Ramschanleihe - wie etwa Griechenlands, Portugals oder Irlands - von den Regulierern besser gestellt werde als ein Kredit an ein Unternehmen mit hoher Bonität sei "schlichtweg falsch".

Hahn kann die ganze Abwehrhaltung des österreichischen Bankensektors gegenüber dem von führenden Notenbankern und Aufsehern vereinbarten Basel-Abkommens nicht verstehen. Das Lamentieren der Banken über Basel III sei "hochgradig provinziell". Die höhere Unterlegung von Risiken mit Eigenkapital sei die richtige Konsequenz aus der Finanzkrise.

Auch der WU-Experte Stefan Pichler kann die Kritik des Bankers nicht nachvollziehen. Kredite an Unternehmen seien grundsätzlich riskanter als Staatsanleihen, sagte Pichler am Montag im ORF-Radio. Und deswegen sei es im Grundsatz auch in Ordnung, hier mehr Eigenkapital zu verlangen. Pichler verwies darauf, dass es hier nur um Mindestanforderungen gehe. Wenn also eine Bank tatsächlich beschließe, ein offensichtlich höheres Risiko einzugehen und griechische Staatsanleihen zu kaufen, müsse sie dafür sehr wohl mehr Eigenkapital zurücklegen - das sei in "Basel 3" ebenfalls so vorgesehen. Auf der Papierform sei im neuen Kapitalregime auch keine Benachteiligung von Retail-Banken gegenüber Investmentbanken zu erkennen, so Pichler.

Pühringer: Ungerecht, unwürdig, unangebracht

In der Mittwoch erscheinenden Ausgabe des "Kurier" zeigt sich der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) von der Diktion des Bankers "erstaunt" und ruft in Erinnerung, dass "sich die Banken in der Krise auf die Steuerzahler verlassen konnten." Die von Treichl getätigten Aussagen seien "ungerecht, unwürdig und unangebracht".

Pühringer, derzeit auch amtierender Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, will die Aufmerksamkeit lieber auf ein leistungsgerechtes Steuersystem richten: "Wir sind nicht die Partei der Generaldirektoren. Leistungsträger ist auch die Diplomkrankenschwester in einem Spital oder in einem Pflegeheim", so Pühringer, der sich aber vor der Nationalratswahl 2013 nur eine aufkommensneutrale Steuerreform vorstellen kann. (APA, red, derStandard.at, 17.5.2011)