Die Zeitungsverleger werfen dem ORF bei seinen Online-Aktivitäten die systematische Verletzung des ORF-Gesetzes vor. Dies geht aus einer Sachverhaltsdarstellung hervor, die der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) der Medienbehörde KommAustria übermittelt hat. Der VÖZ hat demnach das Online-Angebot des ORF über mehrere Wochen untersuchen lassen. Das Ergebnis: "Sowohl klare Gesetzesverstöße des ORF als auch eine problematische Vermischung der Angebotskategorien, durch die eine Überprüfung der Einhaltung der Gesetzesvorgaben erheblich erschwert, wenn nicht verunmöglicht wird." Im ORF bedauert man das Vorgehen des VÖZ und spricht von "Haarspaltereien".

Kritisiert werden in dem knapp 70-seitigen Papier die Angebotsstruktur des Online-Angebots, sowie der Spiele und Unterhaltungsangebote in diversen ORF-Portalen, der ORF-Marken-Auftritte in sozialen Netzwerken sowie Pläne für die Kommerzialisierung von Online-Videos, etwa in der ORF-TVthek. Seit 1. Oktober 2010 gelten für den ORF strengere Regeln im Internet. Online-Aktivitäten wie die Futurezone mussten eingestellt, andere Angebote wiederum zurückgefahren werden. Tatsächlich halte sich der öffentlich-rechtliche Sender aber kaum an die neuen Vorgaben und agiere umtriebig und über die im Gesetz vorgegebenen Möglichkeiten hinaus im Internet, so die Schlussfolgerung der Verleger nach einem mehrwöchigen Monitoring der ORF-Angebote.

Nicht "sortenrein" und "unzulässige Spiele- und Unterhaltungsangebote"

Die ORF-Plattformen beurteilt der VÖZ als nicht "sortenrein". Auf Plattformen wie oe1.orf.at oder oe3.orf.at fänden sich neben sendungsbegleitenden Inhalten auch regelmäßig andere Inhalte, und Sendungsbegleitung und tagesaktuelle Überblicksberichterstattung würden teils vermischt. Auch das Anbieten der Ski-Challenge auf einem eigenen skichallenge.at-Portal sowie die ausführliche Berichterstattung über Spiel und Spielregeln inklusive Fotos mit virtuellem Werbebanner auf ORF.at verstoße gegen die gesetzlichen Vorgaben des ORF-Gesetzes. Moniert werden weiter Gewinnspiele auf insider.orf.at zu TV-Serien wie "Grey's Anatomy" oder "Dr. House", die keinen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Kernauftrag hätten und deshalb laut Gesetz als "unzulässige Spiele- und Unterhaltungsangebote" einzustufen wären.

Während des Monitoring-Zeitraums hätten die Zeitungsverleger auch "insgesamt rund 30 neue ORF Facebook-Angebote gesichtet", die teils "explizit nicht vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst sind", wie es in der Sachverhaltsdarstellung an die KommAustria heißt. Als Beispiel nennen die VÖZ-Juristen eine mit der Marke ORF gekennzeichnete "Wir sind Kaiser"-Facebook-Site. Auf dieser werde ein "Comeback" der Sendung mittels Durchführung von Gewinnspielen, einer Hasenjagd, bei der "tierische und menschliche Häschen(!!!)" zu jagen waren, Fehlersuchbildern und Quizfragen, beworben. Soziale Netzwerke sowie Verlinkungen zu und sonstige Kooperationen mit diesen seien laut VÖZ - ausgenommen im Zusammenhang mit der eigenen tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung - sicher nicht Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Auftrags, die systematische Nutzung von Facebook zur Bereitstellung von Angeboten wie Gewinnspielen deshalb ein Gesetzesverstoß.

Meinungs-Foren auf debatte.orf.at "unzulässig"

Unzulässig im öffentlich-rechtlichen Online-Angebot sind nach Ansicht der Verleger auch die vom ORF betriebenen Meinungs-Foren auf debatte.orf.at. Bei diversen Stichproben hat der VÖZ dort zahlreiche offene Debatten und geschlossene Foren zum Nachlesen gefunden. Eine redaktionelle Begleitung des Diskussionsprozesses im Sinne einer Moderation sei dabei nicht erkennbar gewesen. Es handle sich um eine klassische Postingforen-Plattform und ein offenkundig ständiges Angebot. Das ORF-Gesetz könne nicht so verstanden werden, dass sich solches rechtfertigen lasse.

Darüber hinaus ersucht der Zeitungsverband die KommAustria, ein wachsames Auge auf die geplante Vermarktung von Online-Videos - etwa auf der TVthek - zu werfen. Die Verleger haben "Hinweise darauf erhalten, dass der ORF ab Dezember seine Online-Videos zur Vermarktung öffnen will - und auch bereits mit den Agenturen die Preise dazu verhandelt". Laut VÖZ sei offenbar geplant, Online-Videos des ORF künftig bei der Wiedergabe Werbespots vorzuschalten. Eine solche Vermarktung sei laut ORF-Gesetz zwar erlaubt, dieser "Kommerzialisierung von Video-Content" sollte aber von einem "vorgehenden Auftragsvorprüfungsverfahren" abhängig gemacht werden.

Finaler Appell der Zeitungsverleger an ORF und Medienbehörde: Der ORF möge sich an die Grenzen seines öffentlich-rechtlichen Online-Auftrages halten und "keine unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen durch uferlos interpretierbare und in der Folge entsprechend angewandte Angebotskonzepte" erbringen.

ORF spricht von "Haarspaltereien"

Im ORF weist man die Vorwürfe indes zurück. Kommunikationschef Martin Biedermann: "Wir bedauern, dass der VÖZ sich nun wieder in Haarspaltereien verliert, anstatt mit dem ORF gemeinsam und guten Willens den österreichischen Online-Markt zu entwickeln. Die wahren Konkurrenten am österreichischen Online-Markt sind nicht VÖZ und ORF, sondern die internationalen Player von Google bis Facebook." Laut Biedermann sind derzeit "diverse Angebotskonzepte des ORF bei der Medienbehörde in Prüfung, der VÖZ versucht offenbar, hier Druck zu erzeugen". Der Prüfung dieser Konzepte durch die Medienbehörde sieht man im ORF jedenfalls "mit Interesse und Zuversicht" entgegen. (APA)