Tina Deutsch.

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Wollen Sie Ihre Mitarbeiter qualifizieren? Sicherstellen, dass diese die nötigen Kompetenzen haben, um mit den zukünftigen Anforderungen Ihres Unternehmens umzugehen? Ein einwöchiges Training sollte doch garantieren, dass sie danach bereit für Kommendes sind! Oder ...?

So oder ähnlich scheint nach wie vor in vielen Unternehmen der allgemeine Zugang zum Thema Mitarbeiterentwicklung zu sein. Schon allein die Begrifflichkeiten (Fortbildung, Schulung, Training) verraten vieles: Es geht um zeitlich begrenzte, klar vordefinierte, formale Lerneinheiten - egal ob im klassischen Schulungssetting oder in Form von E-Learning.

Inzwischen ist durch zahlreiche Studien geklärt worden, dass Lernen zu 90 Prozent anders passiert. Nämlich sozial, also mit anderen Menschen - über Coaching, Mentoring und strukturiertes Feedback oder auch durch das "Abschauen" von Rollenmodellen; und noch viel mehr auf informelle Art - wie z. B. über anspruchsvolle Aufgaben, durch das Umgehen mit Fehlern oder durch das Ermöglichen regelmäßiger Reflexion.

Genau aus diesem Grund werden in den kommenden Jahren vor allem jene Unternehmen greifbare Ergebnisse erzielen, die entsprechende Lernformen fördern. Das mag beim Aufsetzen eines Nachwuchskräfteprogramms die Arbeit mit echten, geschäftsrelevanten Projekten sein, anhand derer viel anschaulicher gelernt werden kann als mit theoretischen Beispielen. Wirksam sein kann auch das Einführen eines wöchentlichen Teambarometers als Basis für regelmäßige Gespräche über Verbesserungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit. Ganz sicher sollte vermehrt der Fokus auf das Lernen durch Anwendung - also durch das praktische Handeln - im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.

Auch solche Firmen werden punkten, die ihren Mitarbeiter vermehrt die Kontrolle über ihre eigene Entwicklung in die Hand geben und ihnen gleichzeitig die Tools und Technologien, aber auch Strukturen zur Verfügung stellen, die sie brauchen, um sich das relevante Wissen bedarfsorientiert selbst zu beschaffen.

Effektiv im Umgang mit Lernen werden jene Organisationen sein, die sich gezielt damit auseinandersetzen, welche konkreten Kompetenzen ihre Mitarbeiter für die Erfüllung der Geschäftsstrategie benötigten. Während viele Firmen generische Themen wie "Zeitmanagement" oder "Projektmanagement" predigen, geht es vielmehr darum, unternehmensspezifisch herauszuarbeiten, was die Mitarbeiter ganz besonders gut können und wissen sollten, um die Organisation erfolgreich zu machen.

Lernen ist also nicht gleich Training oder gar Seminarmanagement. Lernen bedeutet konstante Entwicklung, konstantes Mit-sich-selbst-Auseinandersetzen, konstantes Hinterfragen des Bestehenden. Ein Unternehmen, das eine Lernkultur ermöglicht, Feedback fördert und Fehler zulässt, um aus ihnen zu lernen, wird das Beste aus bestehenden Mitarbeitern herausholen. Es wird auch die lernbereitesten und -fähigsten Mitarbeiter anziehen. Diese machen nachhaltigen Erfolg möglich. (Tina Deutsch/DER STANDARD; Printausgabe, 21./22.5.2011)