Der graue Plastikring wird einmal hin- und wieder zurückgeschoben. Dabei wird das Des- infektionsmittel auf den Griff aufgebracht und killt Erreger.

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Denn die Griffe, sagen die Entwickler, seien schlimme Bazillenschleudern. Die Kunden finden die neue Keimfreiheit jedenfalls gut

Wien – Kurt Müllner kennt nicht nur die meisten Kunden, die in seinen Adeg-Markt im 11. Bezirk kommen, er weiß auch genau, womit die Griffe der Einkaufswagen in Kontakt kommen können. "Manche setzen ihren kleinen Hund ins Wagerl, der auf den Griff sabbert – der Nächste setzt danach sein Kind in den Sitz, das ebenfalls die Griffstange abschleckt", schildert der 46-jährige Wiener seine oft nicht gerade appetitanregenden Beobachtungen.

Ein unscheinbarer grauer Plastikring mit Desinfektionsmittel soll nun dafür sorgen, dass auf den Griffen künftig nichts mehr kreucht und fleucht, was Grippe oder Magen-Darm-Infekte auslösen könnte. Seit zwei Wochen wird das System, das in Kärnten entwickelt wurde, in einem Pilotversuch in Müllners Supermarkt in Simmering getestet. Kunden, die einen sauberen Einkaufwagen haben wollen, ziehen den sogenannten Hygieneschlitten einmal über den Griff und wieder retour.

Produkt aus Klagenfurt

"Die Leute haben durchwegs positiv reagiert", sagt Müllner. Eine seiner Kundinnen, die gerade Reis, Äpfel und Brot in die Tasche räumt, findet die keimfreien Einkaufswägen jedenfalls gut. "Ich bin sehr dafür, dass die Wagerl auch weiterhin den Desinfektionsring auf dem Griff haben", sagt die blonde Frau. Schließlich sei das viel hygienischer, weil man wisse ja nicht, wer den Griff vorher in den Händen hatte.

Vermarktet wird das Produkt von der Firma Oclean in Klagenfurt, die das Produkt gemeinsam mit der steirischen Firma IB-Steiner entwickelt hat. Mittlerweile wurde der Hygieneschlitten weltweit patentiert. "Wenn man Studien liest, welche Keime sich auf den Griffen von Einkaufswagen tummeln, weiß man, dass Klobrillen dagegen sauber sind", sagt Franz Sonnberger von Oclean. "Einkaufswagen sind ganz spezielle Plätze für Erreger, mit den Hygieneschlitten kann die Übertragungskette unterbrochen werden." Das könnte auf lange Sicht auch volkswirtschaftlich von einigem Nutzen sein, sagt Sonnberger der bereits früher als Vorstand der Kärntner Landesspitäler mit dem Thema Hygiene befasst war. "80 Prozent der Übertragungen passieren nicht über die Atemwege, sondern über die Hände."

Griff wird sofort wieder trocken

Kurt Müllner hat viele ältere Kunden. "Im vergangenen Winter gab es in einem Seniorenwohnheim ganz in der Nähe eine Infektion mit Noro-Viren", erinnert sich der Supermarkt-Betreiber, "die Bettenstation musste damals wochenlang gesperrt werden".

Dem unscheinbaren grauen Plastikteil sieht man nicht an, dass es ein Hightech-Produkt ist. Dass der Griff keimfrei wird, aber auch sofort wieder so trocken ist, dass ihn die Kunden angreifen können, ohne direkt mit dem Desinfektionsmittel in Kontakt zu kommen, hat rund eineinhalb Jahre Entwicklungsarbeit erfordert. In den nächsten Monaten soll die serienmäßige Produktion starten. Kosten werden die Hygiene-Schlitten rund sechs Euro pro Stück.

Sechs Monate keimfrei

Unter dem Kunststoffring befindet sich eine Kartusche mit dem Desinfektionsmittel. Eine Befüllung reicht aus, um einen Einkaufswagen ein halbes Jahr lang zu desinfizieren, danach kann die Kartusche ausgetauscht werden.

Müllner hat jedenfalls Gefallen an den sauberen Einkaufswagen gefunden. Und er muss auch keine Angst haben, dass sie aus seinem Geschäft entführt werden. Denn er nimmt auch noch an einem zweiten Pilotversuch teil – Magnetbremsen. "Bis zum Ausgang kommt man mit dem Wagerl, aber dann blockieren die Räder."

(Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD-Printausgabe, 24.5.2011)