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Adolf Hitler, hier als Wachsfigur, beschäftigt die Amstettner Politik.

Foto: EPA

Amstetten/Linz - Ausgerechnet zum 900-Jahr-Jubiläum von Amstetten muss Bürgermeister Herbert Katzengruber (SP) seine Stadt wieder einmal verteidigen. Den medialen Stein ins Rollen hat Raphael Lueger gebracht, 21-jähriger Gemeinderat der Grünen, der darauf hinwies, dass Adolf Hitler nach wie vor Ehrenbürger der Stadt sei. Auch dem 1970 verstorbenen NS-Landrat Paul Scherpon, nach dem Krieg sozialdemokratischer Vizebürgermeister und Bezirkshauptmann, soll die Ehrenbürger-Würde nach Wunsch der Grünen aberkannt werden.

Am Dienstagabend trat der Gemeinderat zu einer Sitzung zusammen, per dringlichem Antrag des Bürgermeisters wurde die Ehrenbürgerschaft Hitlers beseitigt. Wie der Standard erfuhr, ging das Votum aber keineswegs einstimmig aus: Die freiheitlichen Mandatare enthielten sich. Sie stellen in der (von der SP absolut regierten) Stadt fünf Mandatare.

Rein rechtlich erlischt eine Ehrenbürgerschaft mit dem Tod der Person ohnehin. Man habe sich dennoch entschlossen, dieses Zeichen zu setzen, sagte Katzengruber am Dienstag.

Belastender Brief

Anders verhält es sich beim früheren SP-Politiker Scherpon. Der Bürgermeister möchte einen Historiker hinzuziehen, der die Frage klären soll, ob Scherpon wirklich derart in der Nazi-Todesmaschinerie involviert war, wie es ein Brief vom 28. August 1944 nahelegt. Zu einem Arbeitseinsatz von Juden in Amstetten schrieb Scherpon an den Reichsstatthalter von Niederdonau: „Das beste wäre, die Juden wieder abzuziehen und sie in einem KZ-Lager ihren Bestimmungen zuzuführen, aber so, daß die Bevölkerung nichts davon sieht."

Bei Lektüre des Briefes habe er sich gedacht: „Weg mit der Ehrenbürgerschaft", sagt Katzengruber. Zeitzeugen hätten ihm aber versichert, dass Scherpon versucht habe, die Bevölkerung zu schützen. „Schließlich war es lebensgefährlich, wenn jemand mit Juden in Kontakt getreten ist." Möglicherweise sei der Brief "unglücklich formuliert".

An Scherpons Grab, das sich in Amstetten befindet, legte die Stadt bisher jedes Jahr zu Allerheiligen einen Kranz nieder. Bevor man das heuer wieder tue, will Katzengruber die historische Rolle des Politikers geklärt wissen.
Amstetten ist längst nicht die einzige Stadt, die sich mit Hitler-Ehrenbürgerschaften herumschlagen muss. So konnten sich die Gemeinderäte in Waidhofen/Ybbs (Niederösterreich), Kufstein (Tirol) und Schalchen (Oberösterreich) noch nicht dazu durchringen, einen Aberkennungs-Beschluss zu fassen. Rohrmoos im Untertal (Steiermark), Puchenstuben (Niederösterreich), Leibnitz (Steiermark) und Haslach (Oberösterreich) taten dies in den vergangenen Jahren.

Im oberösterreichischen Lambach gab es eine Diskussion über die Malerin Margarete von Pausinger (1880 - 1956). Sie denunzierte als aktives NSDAP-Mitglied im Dezember 1939 nachweislich den Regimekritiker Fritz Wingen. Dieser starb qualvoll im Konzentrationslager Lublin. Einer 1953 verliehenen Ehrenbürgerschaft samt eigenem Straßennamen stand diese Vergangenheit nie im Weg. Erst heftige Proteste führten 2006 zu einer Aberkennung. (Andrea Heigl, Markus Rohrhofer, STANDARD-Printausgabe, 25.5.2011)