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"Frauen gewinnen über ihre Beziehung zu Macher-Typen an Wert", so Beate Grossegger über das Rollenverständnis in bildungsfernen Milieus.

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Beate Grossegger über die Retraditionalisierung in bildungsfernen Milieus: "Dass die Macher morgens zur Arbeit gehen und sich die Frauen um die Kinder und den Haushalt kümmern, versteht sich von selbst - zumindest solange man es sich leisten kann."

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Vor allem junge gut ausgebildete Frauen haben den Anspruch einen interessanten Job, der Entwicklungsmöglichkeiten bietet, zu finden und für gute Arbeit auch entsprechend entlohnt zu werden, erklärt Beate Großegger, Wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung, im Gespräch mit derStandard.at. Anders hingegen scheint die Situation bei jungen Frauen aus bildungsfernen Milieus gelagert zu sein. Mit formal niedrigen Bildungsabschlüssen und schlechtem ökonomischen Background hätten sie heute wenig Chancen, die soziale Stufenleiter emporzusteigen, so Großegger. "Viele von ihnen definieren sich primär über ihren weiblichen Körper. Sie suchen Sicherheit und Anerkennungn in traditionellen Lebensentwürfen". Die Fragen stellte Katrin Burgstaller.

derStandard.at: Überrascht es Sie, dass sich jede zweite 14- bis 24-Jährige vorstellen kann, Hausfrau und Mutter zu sein?

Großegger: Was mich zunächst einmal überrascht, ist, wie die Debatte, die sich ja auf Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten Studie bezieht, geführt wird. Wenn sich jede zweite 14- bis 24-Jährige vorstellen kann, Hausfrau und Mutter zu sein, bedeutet das ja zugleich auch, dass ein ebenso hoher Prozentsatz, also die Hälfte der 14- bis 24-jährigen jungen Österreicherinnen heute nicht einmal unter der Voraussetzung, dass der Lebensunterhalt über das Einkommen des Partners gesichert ist, bereit wäre als Hausfrau und Mutter zuhause zu bleiben. Auch darüber ließe sich diskutieren. Oder über die 95 Prozent junger Österreicherinnen, die die Meinung vertreten, dass Männer genauso für Kindererziehung zuständig sind wie Frauen.

derStandard.at: Bilden sich solche Trends in den zahlreichen Studien Ihres Instituts also nicht ab?

Großegger: Unsere Studien zeigen, dass sich viele Mädchen und junge Frauen zwar gut vorstellen können, irgendwann einmal eine Familie zu gründen, aber die Betonung liegt auf irgendwann. Das heißt, Kinderwunsch ist meist eine Option für die fernere Zukunft. Vorher wollen junge Frauen so wie junge Männer eine Ausbildung abschließen und den Weg in die Arbeitswelt finden. Vor allem im bildungsnahen Segment geht es darum, die erworbenen Bildungsabschlüsse im Berufsleben auch ganz konkret zu verwerten. Junge Frauen haben hier den Anspruch, einen interessanten Job, der Entwicklungsmöglichkeiten bietet, zu finden und für gute Arbeit auch entsprechend entlohnt zu werden. Was die Freizeit betrifft, sagen viele: Solange man jung ist, sollte man das Leben genießen. Auch hier unterscheiden sich junge Frauen und junge Männer kaum.

derStandard.at: Hängt die Frage, ob junge Frauen noch in traditionellen Rollenbildern verhaftet sind, von ihrem Bildungsstand ab?

Großegger: In den gebildeten Mittelschichten haben junge Frauen von der Bildungsexpansion der letzten Jahrzehnte ungemein profitiert. Das heißt, sie sind nicht nur gut ausgebildet, sie sind – eben weil sie gut ausgebildet sind – auch durchaus selbstbewusst und, wenn man sie lässt, beanspruchen sie auch die ihnen zustehenden Plätze in der Gesellschaft. Die Frage ist, ob man sie wirklich lässt. Und auch ob man ihren Anspruch, Beruf, Beziehung, Freunde, Freizeitinteressen sowie optional Kinder unter einen Hut zu bringen, ohne dabei dem Burn-out anheim zu fallen, ernst nimmt und sie durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützt.

In bildungsferneren Milieus ist die Situation ein wenig anders. Hier beobachten wir bei jungen Frauen eine Retraditionalisierung. Was auffällt ist, dass sich viele primär über ihren weiblichen Körper definieren und oft auch gezielt auf sexy machen. In ihrem Rollenverständnis sind sie sehr traditionell. Das heißt, die Männer sind hier die Macher und Frauen gewinnen über ihre Beziehung zu Macher-Typen an Wert. Dass die Macher morgens zur Arbeit gehen und sich die Frauen um die Kinder und den Haushalt kümmern, versteht sich von selbst – zumindest solange man es sich leisten kann. Tatsächlich gehen nämlich auch viele schlecht qualifizierte Mütter in Teilzeit arbeiten, einfach weil es aus finanziellen Gründen notwendig ist.

derStandard.at: Wie erklären Sie sich diese Retraditionalisierung?

Großegger: Im bildungsfernen Segment haben wir es mit jungen Frauen zu tun, die auf der gesellschaftlichen Verliererseite stehen. Mit formal niedrigen Bildungsabschlüssen und schlechtem ökonomischen Background haben sie heute wenig Chancen, die soziale Stufenleiter emporzusteigen. Sie sind quasi die Opfer einer wachsenden gesellschaftlichen Unsicherheit. Und so suchen sie Sicherheit und Anerkennung eben woanders: In kaum hinterfragten, traditionellen Lebensentwürfen. Die Sehnsucht nach einer fixen Beziehung, die über eine traditionelle Rollenverteilung klar geregelt ist, spielt hier ebenso mit rein wie ein verklärter Blick auf die Sicherheit und Stabilität einer eigenen Kleinfamilie. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 26. Mai 2011)