Wer hinterfragt, wie wir in unserer Umwelt leben, könnte im Architekturstudium der Akademie der bildenden Künste richtig sein. In diesem Arbeitsraum am Schillerplatz wird gewerkt und diskutiert.

Foto: Joanna Pianka/Standard

Wien - Inmitten von einem von hohen Fenstern gesäumten Raum, steht ein Tisch. Dort sitzt ein Student und wartet sehnlichst auf den Beginn seiner Mappenberatung, während er nervös die von Bücherregalen und Plakaten über Architekturausstellungen geschmückten Wände betrachtet.

Nachdem Markus Vogl, Lehrender an der Akademie der bildenden Künste, das Sekretariat des Instituts für Kunst und Architektur betreten hat und sich freundlich dem Bewerber vorstellt, hört dieser auf, unentwegt seine Bewerbungsmappe glattzustreichen.

"Was motiviert dich, dich bei uns zu bewerben?", stellt Vogl als einleitende Frage. Er würde gerne sein FH-Studium in Salzburg, das er mit einem Diplom abgeschlossen hat, mit einem Masterstudium ergänzen, erklärt der Kandidat. Nach einigen grundlegenden Fragen lockert sich das Gespräch und Vogl begutachtet die Bewerbungsmappe und macht den Studenten darauf aufmerksam, was zu verbessern wäre und dass es sinnvoll sei, ein Skizzenbuch anzulegen. Abschließend lädt Vogl den Kandidaten dazu ein, seine Bewerbungsunterlagen für die Aufnahmeprüfung einzureichen.

Nach der Mappenberatung bekommt der Bewerber Zeit, sich mit einer Aufgabenstellung auseinanderzusetzen und das Ergebnis dann bei einer Eignungsprüfung - die aufgrund der 20 verschiedenen Nationalitäten der Lehrenden meist auf Englisch erfolgt - zu präsentieren. Diese Aufgabe setzt sich aus drei Teilen zusammen, wobei die erste eine kreative Aufgabe ist, die zweite eine handwerkliche und die dritte daraus besteht, einen Text zu verfassen oder einen Plan zu zeichnen. Vor zwei Jahren war das Thema eine Reise an einen fiktiven tropischen Ort, für welche die Bewerber ihr Handgepäck packen mussten, jedoch nur einen begrenzten Platz zur Verfügung hatten und das Ganze dann grafisch darstellen sollten. Im zweiten Teil war die Anfertigung eines Sonnenhuts aus Papier verlangt, der letzte Teil bestand daraus, einen Plan des tropischen Ortes zu zeichnen.

Für Stefan Gruber, stellvertretenden Institutsleiter und Lehrenden, ist es wichtig, dass den Bewerbern die Scheu vor der Aufnahmeprüfung genommen wird: "Es heißt zwar Eignungsprüfung, aber es hat keinen Prüfungscharakter. Wir versuchen das zu einem Gespräch zu machen, wo wir so viel wie möglich von den Personen kennenlernen wollen."

Bei den Studierenden kommt die Art der Aufnahme gut an: "Was ich sehr gut fand, war, dass es bei dem Eignungsgespräch nicht nur um das technische Verständnis ging. Es gab natürlich auch Fragen zum Arbeitsauftrag, aber es gab auch viele Fragen aus dem täglichen Leben", erinnert sich Diana Drogan, Studentin im Masterstudium.

Durch den kleinen Kreis an Studierenden, der sich auf hundert Leute im ganzen Architekturstudiengang beschränkt, ergibt sich für die Lehrenden der Luxus, mit den Studenten über ihre Stärken und Schwächen reden sowie auf ihre Wünsche eingehen zu können. Und das merkt man auch, wenn man durch die Räume der Akademie geht und den heranwachsenden Architekten bei der Arbeit zusieht. Eigenständiges und innovatives Denken steht im Vordergrund. "Wir versuchen den Studierenden zu zeigen, wie sie ihren individuellen Weg einschlagen können. Da die Informationsbeschaffung immer leichter zugänglich ist, muss man lernen, diese zu filtern, zu verarbeiten und in die Architektur zu übertragen", erklärt Gruber. Diese Idee hat auch das Plattformensystem sehr beeinflusst, das die Akademie vor vier Jahren auf die Beine gestellt hat, und heuer darf sie der ersten Studentengeneration, die dieses Pilotprojekt als Studienplan hatte, zu ihrem Abschluss gratulieren.

Das Plattformensystem besteht aus fünf Stufen: Analoge und Digitale Produktion, Tragkonstruktion/Material/Technologie, Ökologie / Nachhaltigkeit / kulturelles Erbe, Geschichte/Theorie/Kritik und Geografie/Landschaften/Städte - diese werden je nach Semester besucht, und auf die spezialisieren sich die Studierenden in ihren Klassen dann und arbeiten darin Projekte aus. Neben dem System der Plattformen war für Miriam Pollak, Studentin im vierten Semester, vor allem die Kleingruppenarbeit wichtig, da man dadurch auch von den Studierenden selbst lernen kann. "Wir haben ein sehr familiäres Verhältnis. Jeder kennt jeden. Das kann von Vorteil sein, aber man muss gleichzeitig auch versuchen, Abstand zu halten", meint Vogl.

Effekt auf die Gesellschaft

"Viele, die sich anfangs nicht mit der Materie beschäftigen, sehen die vielen Möglichkeiten nicht, die die Architektur bietet, sondern denken meist nur daran, damit die Welt zu verbessern oder überall schöne Farben auf den Häusern zu verteilen", erklärt die Lehrende Antje Lehn. Das Ziel der Architektur sieht Student Laurenz Berger darin, einen positiven Effekt auf die Gesellschaft zu haben: "Der Architekt setzt sich mit der Interaktion der Menschen und dem Konzept der Gesellschaft auseinander, das er transportiert und weiter kommuniziert."

Auch Drogan findet, dass es sehr wichtig ist, das Netzwerk zu erkunden und darauf zu achten, welche Wege die Leute nützen und welche sie meiden. Denn man müsse sich ihrer Meinung nach, Zeit nehmen, den Ort und die Bewohner kennenzulernen. Ob man am Abend ins Theater, ins Museum oder einfach nur spazieren gehe: Die Architektur sei immer präsent, und man könne immer etwas dazulernen, meint Lehn.

Gruber resümiert: "Das Wichtigste ist, die Wahrnehmungsroutine aufzubrechen und Dinge infrage zu stellen." (Selina Thaler, DER STANDARD, Printausgabe, 25.5.2011)