Kairo/Wien - Ägypten wird am Samstag seine Ankündigung umsetzen, die Grenze zum Gaza-Streifen wieder auf regulärer Basis zu öffnen. Außer an Freitagen und Feiertagen wird der Grenzübergang Rafah untertags wieder in Betrieb sein, wobei Ägypten auch die 2007 abgeschafften kulanteren Visaregelungen für Palästinenser wieder einführt: Männer unter 18 und über 40 sowie Frauen brauchen kein Visum, ebenso Personen, die aus medizinischen Gründen oder zu Transit-Zwecken in Ägypten einreisen.

Dass der nunmehrige Expräsident Hosni Mubarak bei Israels totaler Gaza-Blockade nach der Machtübernahme der Hamas 2007 so willig kooperierte, hatte unter anderem innenpolitische Gründe: Er wollte den Kontakt zwischen den ägyptischen Muslimbrüdern und ihrem palästinensischen Ausleger, der Hamas, möglichst unterbinden (was ihm ohnehin nicht gelang). In Ägypten und anderswo in der arabischen Welt schadete die Polizistenrolle für Israel Mubarak jedoch auch bei den Moderaten gewaltig. Der jetzige ägyptische Außenminister und künftige Arabische-Liga-Chef Nabil Elaraby etwa bezeichnete sie als "beschämend" . Dass die Gaza-Politik Ägyptens nicht aufrechterhalten werden würde, war in der Stunde eins der ägyptischen Revolution klar: einer der Gründe, warum Israel den Abgang Mubarak so betrauerte.

Auch wenn sich alle einig sind, dass die Öffnung von Rafah aus humanitären Grunden zu begrüßen ist, fragen sich auch manche ägyptischen Beobachter, welche Probleme sich das junge Revolutionsland damit einhandeln könnte. Die Hamas gilt als Iran-gesteuert - genau das konnte man stets von der gegnerischen, jetzt versöhnten Fatah hören -, und obwohl das eine Vereinfachung ist, ist die Verbindung nicht von der Hand zu weisen.

Nun ist aber auch eine ägyptisch-iranische Normalisierung am Laufen, und Kairo mag hoffen, durch die Verbesserung der Beziehungen auch mehr Einfluss darauf nehmen zu können, was der Iran im Gaza-Streifen so treibt beziehungsweise via Iran auf die Hamas einzuwirken.

Die Zusage, Rafah zu öffnen, war bestimmt auch ein Zuckerl der ägyptischen Vermittler, um die Hamas zur Versöhnung mit der Fatah zu locken. Auch die Fatah musste zustimmen, denn eigentlich sollte das an der Grenze tätige palästinensische Personal ja von der Autonomiebehörde gestellt werden und nicht von der Hamas, die den Gaza-Streifen 2007 im Handstreich übernommen hat.

Davon dass die 2005 etablierte, 2007 zurückgezogene European Border Assistance Mission (Eubam) wieder operativ werden könnte, ist einstweilen nicht die Rede. Prinzipiell begrüßt man in der EU, dass die Bewohner des Gaza-Streifens mehr Bewegungsfreiheit bekommen, tritt aber für gewisse Kontrollstandards ein. Israel nannte die Entwicklung einen "ersten Schritt in Richtung einer neuen regionalen Ordnung, die für Israel sehr problematisch ist." (Gudrun Harrer/ DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2011)