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Wo bio draufsteht, ist nicht überall das Gleich drin.

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Rudi Vierbauch: Bei Bio geht es um Produkt- und Prozessqualität, also darum, wie das alles erzeugt wird. Die Kontaminierung ist kein Bioproblem.

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derStandard.at: In Österreich gelangten womöglich mit dem EHEC-Keim belastete Gurken, Paradeiser und Melanzani in den Verkauf. Haben Sie eine mögliche Erklärung?

Rudi Vierbauch: Jetzt wird einmal viel spekuliert, diese Spekulationen will ich nicht noch anfeuern. Prinzipiell ist es aber kein Bioproblem. Es schaut so aus, als ob es ein Lebensmittelhygieneproblem ist.

derStandard.at: Jetzt wird fieberhaft nach dem Schuldigen gesucht...

Vierbauch: Was sich unter Fachleuten herauskristallisiert, ist, dass möglicherweise beim Waschen oder beim Besprühen Wasser verwendet wurde, das nicht einwandfrei war. Aber jetzt kann man zum Beispiel nicht über die spanischen Biokontrollstellen schimpfen, weil man noch nicht weiß, wo das Problem entstanden ist.

derStandard.at: Das Gemüse landet im Endeffekt im Biohandel. Wenn Konsumenten zu bio greifen, geben sie erheblich mehr aus als gewöhnlich. Steht ihnen da nicht auch eine gewisse Sicherheit zu, dass sie für ihr Geld einwandfreie Lebensmittel bekommen?

Vierbauch: Der Bio-Konsument will schon mehr haben. Da geht es auch um eine andere Produkt- und Prozessqualität, also darum, wie das alles erzeugt wird. Noch einmal: Die Kontaminierung ist kein Bioproblem, sondern ein generelles Hygieneproblem in der Lebensmittelerzeugung. Aber natürlich muss das im Biobereich auch passen. Sicherheit gegenüber dem Konsumenten hat für uns jedenfalls oberste Priorität. Wenn im Hygienebereich etwas passiert, schmerzt uns das natürlich ganz besonders.

derStandard.at: Ist das Kontrollsystem ausreichend?

Vierbauch: Von der bäuerlichen Seite her ist es bei uns mit Sicherheit ausreichend. Wenn das Problem in Spanien bei der Produktion aufgetreten ist, dann ist das ein Versagen der dortigen Kontrollstellen, und dann muss man sich das System anschauen, ob das so gehandhabt wird, und die gleiche Wertigkeit hat, wie das von Brüssel erwartet wird.

derStandard.at: Aber vom Bauern bis zum Konsumenten ist es ja noch ein langer Weg...

Vierbauch: Beim Gemüse nicht unbedingt. Das wird gewaschen, verpackt und transportiert.

derStandard.at: Da reden wir jetzt aber von österreichischen Gurken. Bei den aktuellen Fällen soll es sich um spanische gehandelt haben. Heißt „bio" bei uns überhaupt das gleiche wie „bio" in Spanien?

Vierbauch: Laut EU-Verordnung schon. Wenn es nach EU-Standard produziert wurde, ist es das gleiche wie bei uns. Aber die Bauern bei uns - speziell bei Bio Austria - geben sich mit dieser Verordnung nicht zufrieden. Unsere Betriebe haben ganz auf Bio umgestellt. Laut EU-Verordnung könnte ein Betrieb nur einen Teil der Landwirtschaft auf bio umstellen.

derStandard.at: Das heißt neben dem Feld mit Biogurken ist das Feld mit konventionellen Gurken?

Vierbauch: Das könnte theoretisch so sein. Es ist allerdings jetzt eher so, dass die Gurke zum Beispiel bio und die Karotte konventionell gezüchtet wird. So etwas wird bei uns nicht akzeptiert. Unsere Einstellung ist: Entweder man ist Biobauer oder nicht.

derStandard.at: Als Übel kam ja auch Jauche ins Spiel. Wie kann sich überhaupt ein Biobauer absichern, dass etwa der konventionelle Landwirtschaft betreibende Nachbar nicht auf die eigenen Felder sprüht?

Vierbauch: Wirtschaftsdünger - also Jauche oder Mist, Kompost - ist ein sehr wertvoller Dünger, weil er auch den Boden aktiviert und Humus aufbaut. Wir verwenden ihn auch. Aber nicht im Gemüse-, Beeren- und Obstbereich, wenn das Produkt schon aus dem Boden gekommen ist. Von den Kontrollstellen wird auch ganz besonderes Augenmerk darauf gelegt, wenn ein Biofeld neben einem konventionellen Feld liegt. Da werden vermehrt Proben genommen und geschaut, ob es Rückstände gibt. Da wird sehr genau hingeschaut, und das ist auch richtig so.

derStandard.at: Bio-Produkte werden uns als ökologische und insgesamt nachhaltige Alternative zu konventionell produzierten Lebensmitteln empfohlen. Die Herkunft des Gemüses soll Spanien sein - ist es nicht unzeitgemäß, dass eine Biogurke so einen langen Transportweg zurücklegen darf?

Vierbauch: Bio unterscheidet sich in erster Linie durch eine Prozessqualität. Da wird anders produziert. Was die CO2-Belastung betrifft, so ist ein biologisch erzeugtes Produkt bis zu 60 Prozent weniger CO2-belastet. Der Transport macht in der CO2-Belastung um die fünf Prozent aus. Ein biologisches Produkt von Spanien nach Österreich zu bringen, ist also immer noch viel klimafreundlicher als ein konventionelles Produkt. Sprich: Der Transport von einem Bioprodukt ist eigentlich das geringere Problem, als das Verhältnis konventionelles Produkt zu Bioerzeugnis.

derStandard.at: Stellt sich trotzdem die Frage, wieso das Gemüse so weit reisen muss?

Vierbauch: Beim Gemüse ist das ein ganz spezifisches Thema, weil die Reifezeit von den Gemüsesorten sehr unterschiedlich ist und es dafür ein ganz enges Zeitfenster gibt. Wir haben zum Beispiel bei den Tomaten zur Reifezeit mehr, als wir in Österreich vermarkten können. Wir müssen dann also Tomaten exportieren. Das Schöne ist ja: Europa ist groß und geht vom mediterranen bis zum subpolaren Bereich. Deswegen sind die Produktionszeiten sehr lang. Die Sizilianer sind zum Beispiel sehr viel früher dran als die Schweden. So kann man den Konsumentenwünschen, über einen möglichst langen Zeitraum Tomaten kaufen zu können, entgegen kommen.

derStandard.at: Woher kommt hauptsächlich unser nicht österreichisches Biogemüse?

Vierbauch: In erster Linie sind Italien und Spanien für die frühen Gemüselieferungen zuständig, weil dort eben der Salat und die Erdäpfel früher reif sind als bei uns.

derStandard.at: Befürchten Sie durch die Ehec-Affäre einen Image-Schaden für die Biobranche?

Vierbauch: Das muss sich erst herausstellen. Es ist natürlich nicht gut, dass so etwas passiert ist und auch Bio mit hineingezogen wurde. Aber ich habe auch gerade mit dem Umweltministerium telefoniert. Die haben zahlreiche Proben beim heimischen Biogemüse gezogen und nichts gefunden. Im Endeffekt ist es also auch eine Chance für unsere Biobauern, dass sie ihre Produkte noch besser am Markt positionieren.(Regina Bruckner, derStandard.at, 30.5.2011)