Viele Wiesen, viel Wald und endlose Galoppstrecken: Das Mühlviertel hat eines der größten Reitwegenetze Europas.

Foto: OÖ Werbung

Der Prospekt verspricht den Reitpark Gstöttner als einen "Garanten für Lebensfreude und Erholung", da ist viel von gesundem Einklang und Wohlbefinden die Rede. Aber den Verdacht, dass hier Gesundheitsfreaks einen trendigen Wellness-Urlaub auf dem Pferderücken verkaufen wollen, räumt Ludwig Kriechbaumer gleich aus. "Ich habe nur einen Fehler ..." - Kunstpause - "ich rauche auf dem Pferd." Grinst breit, zündet sich eine Zigarette an, "na, dann los".

Struppige graue Haare, Lachfalten, grüne Reithose, Wanderschuhe, Ludwig ist hier der Chef. Sein stämmiger Brauner setzt sich in Bewegung, trottet über den Parkplatz hinunter zur Straße und biegt auf einen Feldweg ab. Die Artgenossen folgen fraglos. Für die neuen Gäste des Reitparks im Mühlviertel ist das aufregend - für die Pferde ist es Routine. Sie kennen den Weg in- und auswendig. "Die Hausrunde", sagt Ludwig. Zum Aufwärmen.

Viel Wald, steile Hänge, auf jeder Anhöhe ein Bauernhof, der Rest sind Wiesen. So stellt man sich Urlaub auf dem Land vor. "Schön ist das!" seufzt eine Mitreiterin. Und so viele Möglichkeiten: Rund 680 Kilometer lang ist das Reitwegenetz. Der Reitverband Mühlviertler Alm, der es betreut, umfasst 14 Gemeinden. Für Wanderreiter gibt es über 50 Anlaufstellen: Herbergen, Reitschulen, Rastplätze.

Galopp? Aber ja!

Ludwig hat den Waldrand erreicht und steuert zielstrebig auf einen Weg zu, der steil abfallend irgendwo tief unten in einem Nichts zu enden scheint. Das entspannte Durchatmen endet abrupt. Geröll, aus dem Boden ragende Wurzeln, tief hängende Zweige - was, da sollen wir hinunter? Die Pferde rühren kein Ohrwaschel, sie suchen sich Schritt für Schritt selbst ihren Weg. Gleichgewicht halten, mehr ist vom Reiter nicht verlangt. Um steile Waldwege kommt man im Mühlviertel eh nicht herum.

Eine flache Wiese, ein Flüsschen, ein neuer Feldweg in den Wald hinauf. Ludwig lässt seine Zigarette fallen. "Galopp?" Aber ja! Unser Reitführer hebt den Arm. Das ist das Kommando. Die Pferde sind ohnehin kaum zu halten - sie kennen nicht nur die Wege, sondern wissen auch, in welchen Gangarten sie geritten werden.

Jetzt wird auch klar, wozu man hier eine Reitkappe braucht: Der eine oder andere Zweig fetzt einem dann doch ins Gesicht. Nur Ludwig scheint das nichts auszumachen. Er hat sich mit Rücksicht auf die Gruppe zwar einen Hut aufgesetzt, der wie ein Helm aussieht, aber er kann ihn biegen und kneten. Und lacht dabei.

Ein paar Galoppstrecken weiter verkündet Ludwig plötzlich: "Eine Pause!" und marschiert mit seinem Pferd auf einen Hof zu. Absteigen ist für eine Erfrischung in diesem Falle gar nicht notwendig. Der Hausherr begrüßt auf dem Parkplatz. "Wer will ein Bier?" Wer ein Stamperl mag, fragt er gar nicht, da setzt er die Antwort voraus: alle. Widerstand zwecklos. So kann man auch skeptischen Männern das Reiten schmackhaft machen. Keine Frage. Ludwig hat da so einige Beispiele.

Training für Profis

Am nächsten Tag (nach einer Nacht auf extra für strapazierte Reiterrücken konzipierten Matratzen) versteht man dann, dass die Hausrunde so ziemlich alles enthalten hat, was man im Verlauf des Aufenthalts vertiefen wird. Abwechslungsreiches Gelände, lange Strecken, viel Trab und Galopp. Eine gute Einführung.

Das Gelände nutzen auch die Profis: Im Herbst findet im Mühlviertel die Junioren-Europameisterschaft im Orientierungsreiten statt, "die sportliche Form des Wanderreitens", wie es ein Reiter formuliert. Trainiert wird noch viel öfter, auch mit der Kutsche.

Angeschlossen an die Reitwege sind auch einige kulturelle Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel die Ruinen Prandegg und Ruttenstein, die beide von engagierten lokalen Vereinen erhalten werden und, wie das Reitwegenetz, mehr Touristen ins Mühlviertel locken sollen.

Die Pferde sind zuverlässig und für Anfänger geeignet, die Mehrheit ist in einem guten Zustand. Dass Ludwig am zweiten Tag im Galopp ein Steigbügelriemen reißt, macht einem Profireiter wie ihm nicht viel aus - für Anfänger kann das aber gefährlich werden. Daher: Vor dem Aufsteigen immer das Sattelzeug kontrollieren. (Julia Raabe/DER STANDARD/Printausgabe/04.06.2011)