Mit dem Wechsel an der Ressortspitze gebe es "große Chancen für einen neuen Aufbruch", meint SP-Justizsprecher Jarolim.

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Wien - SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim drängt Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) zu Reformen. Mit dem Wechsel an der Ressortspitze gebe es "große Chancen für einen neuen Aufbruch" - und der sei dringend nötig, um die Justiz aus der "Misere zu ziehen". Konkret verlangte Jarolim am Mittwoch in einer Pressekonferenz einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt, die Reform des "Mafia-Paragrafen" samt besserer Entschädigung für unschuldig Angeklagte, mehr Personal und Ausbildung für Staatsanwälte und einen Grundrechtsexpertenrat für das Parlament.

Jarolim hofft auf Karl

Dies sind weitgehend bekannte SPÖ-Forderungen, die aber von der früheren Ressortchefin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) nicht akzeptiert worden seien. Jarolim hofft nun bei Karl auf mehr Gehör - wenngleich von Ministeriums-Mitarbeitern offenbar schon wieder "sanft gebremst" werde, etwa beim Mafia-Paragrafen.

Der Par. 278 Strafgesetzbuch müsse angesichts der Erfahrungen beim Tierschützerprozess verbessert oder - wenn das nicht gelingt - abgeschafft werden. Auf vernünftige Anwendung zu setzen, reicht für Jarolim nicht. Verbessert werden müsse die Entschädigung unschuldig Verfolgter. Die gesamten Anwaltskosten müssten ersetzt werden, auch eine Entschädigung etwa für den Verlust des Arbeitsplatzes sei nötig. Außerdem plädiert Jarolim für eine Haftung für Organisationsverschulden - also auch eine Haftung für fehlerhafte Ermittlungen der Exekutivorgane.

Grundrechtsexpertenrat soll eingeführt werden

Damit die Legistik grundrechtskonformer wird, will Jarolim dem Parlament einen Grundrechtsexpertenrat zur Seite stellen, der jeden relevante Gesetzvorschlag auf Grundrechts-, Europarechts- und Verfassungskonformität prüft.

Unabdingbar ist für Jarolim der Verzicht der Justizministerin auf das Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwälten. Dieses soll einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt übertragen werden, der mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament gewählt wird. Nur wenn nicht einmal der Eindruck parteipolitischer Überlegungen oder ungleicher Behandlung entstehen könne, werde man den Glauben an die Justiz wieder festigen.

Das von Schwarz-Blau beschlossene Modell für die Vorverfahrens-Reform "funktioniert offenbar nicht", stellte Jarolim fest. Die Staatsanwaltschaft sei "in weiten Teilen paralysiert". Sie brauche ausreichend Personal und - vor allem im Hinblick auf komplizierte Wirtschaftsfälle - bessere Ausbildung.

Amtsverschwiegenheit abschaffen

Vorschläge, die Kommunikation der Justiz bzw. Behörden zu verbessern, unterstützt Jarolim. So ist er für die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit; nur aus Sicherheits- oder Datenschutzgründen sollten Informationen untersagt sein. Der Justiz müsse ermöglicht werden, Angriffen - wie etwa der Anwälte im Meinl-Verfahren - entgegenzutreten.

In der Frage des Wahlrechts für Straffällige plädiert Jarolim für die Einzelfallprüfung nach einem gesetzlich vorgegebenen Kriterienkatalog - worauf sich SPÖ und ÖVP Ende April auch geeinigt haben. Von einer starren Orientierung an der Strafhöhe hält er nichts. (APA)