Die Holzforschung Austria will mit ihrem neuen Forschungshaus Langzeitversuche im 1:1-Maßstab ermöglichen.

Foto: Holzforschung Austria

Um Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu messen, kleben im Holzforschungshaus über 200 Messfühler an vielen verschiedenen Wandelementen.

Foto: Jasmin Al-Kattib

Von außen und nur sehr flüchtig betrachtet wirkt das neue Forschungsgebäude im niederösterreichischen Stetten beinahe wie ein gewöhnliches Einfamilienhaus. Allerdings ist es leicht erhöht gebaut und sieht ein bisschen aus wie ein auf Stelzen stehender Würfel. Es hat keinen Keller, sondern nur einen so genannten "Kriechkeller". "Das ist ein Lufthohlraum unter dem Gebäude", erklärt Martin Teibinger, Leiter des Fachbereichs "Bauphysik" an der Holzforschung Austria. "Die unterste Decke haben wir in Holzbauweise errichtet, das ist in unseren Breiten noch nicht üblich, in Skandinavien aber durchaus. Es hat große Vorteile, weil man keine Wärmebrücken hat und eine durchgängig gedämmte Hülle."

Tritt man ins Innere des Gebäudes, erinnert jedoch nichts mehr an ein gewöhnliches Einfamilienhaus. Jetzt ist es deutlich zu sehen: Hier handelt es sich um eine Forschungsstation. Rohes Holz an Boden und Decke sowie unverspachtelte Wandelemente sollen nichts verstecken, sondern offen zeigen, wie das zweistöckige Haus aufgebaut ist. Die Holzforschung Austria will mit ihrem neuen Forschungshaus Langzeitversuche im 1:1-Maßstab ermöglichen, um das Verhalten unterschiedlicher Holzbauweisen über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes beurteilen zu können.

Über 200 Messfühler

"Energy-Efficiency" heißt das Projekt, das als erstes Forschungsvorhaben ins neue Holzhaus eingezogen ist. Es widmet sich unter anderem dem Einfluss der Bauweise mit unterschiedlichen Dämmstoffen auf die thermische Behaglichkeit von Holzbauten. Ein wichtiges Ziel ist die Erforschung der Phasenverschiebung, also die verzögerte Wärmeeinwirkung durch die Sonne auf die Innenräume des Hauses. So sind die Wände im Holzforschungshaus modular aufgebaut und es können bis zu 61 unterschiedliche Wandaufbauten nebeneinander auf ihr thermisches Verhalten untersucht werden.

Wie bei einem Patienten, der für einen Rundum-Gesundheitscheck Sensoren an Brust, Schläfen und anderen Körperteilen trägt, kleben im Haus über 200 Messfühler an den verschiedenen Wandelementen. "Es geht um Temperatur und Luftfeuchtigkeit in den einzelnen Schichten", so Teibinger bei der Führung durch das Haus. Auch das empfundene Raumklima, also der Grad der Behaglichkeit, wird mit speziellen Sensoren gemessen.

Vergleich der Bauweise

Im Erd- und im Obergeschoß wurden zudem je zwei ident aussehende thermisch entkoppelte Räume eingebaut. Sie sind 10 Quadratmeter groß und mit gleichen Fenstern und Beschattungselementen ausgestattet. Der einzige Unterschied ist die Bauweise: Ein Raum wurde in Holzmassivbauweise konstruiert, der andere in Holzrahmenbauweise. Hier geht es um einen direkten Vergleich dieser beiden sehr unterschiedlichen Wandkonstruktionen, wobei das Hauptaugenmerk derzeit auf der Temperaturmessung liegt. Um eine Wohnsituation zu simulieren, befinden sich hinter den verschlossenen Türen der Räume, die während der Messungen nicht betreten werden, auch "künstliche Bewohner", die interne Lasten (in diesem Fall Wärme) einbringen können.

Lüftung, Beschattung und Stromerzeugung

Lüftungsanlage und Beschattungselemente werden über ein BUS-System dezentral gesteuert und über das Internet überwacht. Für das Forschungsteam ist das sehr praktisch. Sie müssen nicht jedes Mal vor Ort sein, um Einstellungen und Messungen vorzunehmen oder Daten abzurufen. Zudem haben Interessierte die Möglichkeit, sich im Forschungshaus zu informieren, was mit einem solchen System alles möglich ist und wie es sich in ein Holzgebäude integrieren lässt.

Auf der Südfläche des Dachs wurde eine Photovoltaik-Anlage angebracht, die auf zwei gleich große gebäudeintegrierte Anlagen in zwei Varianten aufgeteilt wurde. Einmal in einer klassischen Einbausituation mit gewöhnlichen Dachlüfterziegeln, einmal mit Ventilatoren in der Hinterlüftungsebene, die aktiv Luft absaugen. Auf diese Weise soll unter anderem die Möglichkeit einer Kombination von Stromerzeugung und Wohnraumheizung im Holzbau mittels eines Luftheizsystems untersucht werden.

Holz als Speicher für CO2

Auch Berechnungen des Primärenergiebedarfs und der Treibhauspotentiale während der Produktion, Montage und Nutzung der Gebäude stehen auf dem Programm des Projekts im Holzforschungshaus. "Ich glaube, dass eine Energiewende möglich ist", meint Martin Teibinger zuversichtlich. "Ein Kilogramm Holz kann 1,44 Kilogramm CO2 speichern, das heißt, der Kubikmeter Holz hat rund 580 Kilogramm CO2 gebunden. Wir werden mit dem Holzbau sicher nicht die Welt retten, aber wir haben eine Möglichkeit, einen Puffer zu schaffen, bis es neue Technologien gibt, mit denen wir nicht mehr so viel CO2 emittieren." (Jasmin Al-Kattib, 10. Juni 2011, derStandard.at)