Die Stadt Klosterneuburg halbierte die Subvention auf ein lächerliches Almosen.

Klosterneuburg - Franz Kafka hatte ein Martyrium hinter sich: Während eines Aufenthaltes in Berlin 1923/24 griff die Lungentuberkulose, an der er seit Jahren litt, auch auf den Kehlkopf über. Allmählich verlor der Prager Schriftsteller, der 1922 als Obersekretär in Frühpension gegangen war, sein Sprechvermögen: Was er sagen wollte, musste er aufschreiben.

Anfang April 1924 reiste Kafka mit seiner Lebenspartnerin Dora Diamant, einer Kindergärtnerin, nach Ortmann (Pernitz) ins Sanatorium Wienerwald. Doch man konnte ihm nicht helfen: Man riet ihm, die Laryngologische Klinik von Prof. Markus Hajek in Wien aufzusuchen. Seinem Freund Robert Klopstock, einem Medizinstudenten, schrieb er: "Der Kehlkopf ist nämlich so angeschwollen, dass ich nicht essen kann, es müssen (sagt man) Alkoholinjektionen in den Nerv gemacht werden, wahrscheinlich auch eine Resektion. So werde ich einige Wochen in Wien bleiben."

In der Klinik hielt es Kafka aber nicht aus. Denn er war in einem Mehrbettzimmer mit sterbenskranken Patienten untergebracht worden. "Den Mann neben mir haben sie getötet", notierte er. Noch im April übersiedelte er in das kleine Sanatorium Hoffmann in Kierling (Hauptstraße 187) bei Klosterneuburg. Und dort starb er, rührend umsorgt von Dora Diamant und Robert Klopstock, am 3. Juni mit knapp 41 Jahren.

Das Sterbehaus existiert noch heute. Doch das ehemalige Sterbezimmer ist bewohnt. Die Franz-Kafka-Gesellschaft richtete daher im ehemaligen "Ordinationszimmer" einen Gedenkraum ein. In Geldnöten, griff man zu einer sonderbaren Maßnahme: Man schnitt das hölzerne Geländer jenes Balkons, auf dem sich Kafka sonnte, in Scheiben - und bietet diese, gebrandmarkt, zum Kauf an, als seien sie Splitter von Kreuze Jesu.

Bis 2003 war der Verein hochaktiv: Es wurden Symposien veranstaltet und der Kafka-Preis vergeben (u. a. an Herta Müller, Peter Handke, Stanislaw Lem und Elias Canetti). Doch dann trat eine Ermüdung ein. Zu allem Überdruss halbierte die Stadt Klosterneuburg heuer die Subvention - von 4000 auf 2000 Euro. Mit dem Almosen lässt sich nicht einmal der Gedenkraum (Jahresmiete nur 5000 Euro) finanzieren.

Martina Enzmann, Gemeinderätin der Grünen, machte nun auf die Missstände aufmerksam. Sie fordert eine neue Struktur samt Wiederbelebung. Unterstützung erhielt sie von der IG Autoren. Deren Sprecher, Gerhard Ruiss, spricht von Schande und Skandal. Dass in Klosterneuburg Geld vorhanden wäre, weiß Enzmann: Allein für eine Skulptur, die einen Kreisverkehr ziert, wurden kürzlich 62.000 Euro ausgegeben.

Übrigens: Seit 2002 versucht das Wiener Antiquariat Inlibris den Nachlass von Robert Klopstock zu verkaufen. Dieser besteht u. a. aus 38 Briefen und Postkarten von Kafka, darunter auch jener, der in diesem Artikel zitiert wird. Käufer fand sich bisher keiner.  (Thomas Trenkler/ DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2011)