Workshop-Teilnehmer (v.l.n.r): Christian Raich, Michael Goblirsch, Gerald Aufmesser, Andreas Jaufer und Magdalena Margreiter

Foto: Roland Berger

Pogusch in der Obersteiermark, am Fuße des Hochschwab in rund 1000 Metern Seehöhe: ein uriges Wirtshaus aus dem Jahr 1616, umgewandelt zum kulinarischen Almerlebnis, das das Steirereck in Wien in die Mittelgebirgsromantik der Grünen Mark verlegt.

Für zwei Tage fand hier für 15 Studenten und Absolventen von Hochschulen aus ganz Österreich eine Art "Starmania" ohne Musik statt, mit langen Sitzungen, heftigen internen Diskussionen, gruppendynamischen Drahtseilakten und zwischendurch mit den Köstlichkeiten aus Küche und Keller des Hauses Reitbauer. Etwa 90 Kandidaten hatten sich bei der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants für die Teilnahme an dem zweitägigen "Strategy Workshop" beworben.

Sechs der 15 Auserwählten hatten ihr Studium, mehrheitlich Wirtschaftswissenschaften, bereits abgeschlossen, die anderen sind zum Teil neben ihrem Studium bereits in kleinen Beratungsaktivitäten involviert. Weltweit hat die Strategieberatung 33 Büros in 23 Ländern und erwirtschaftete mit 1685 Mitarbeiten im Jahr 2002 einen Honorarumsatz von 526 Mio. Euro. Obwohl bei der Beratertätigkeit der wirtschaftswissenschaftliche Hintergrund unentbehrlich ist: Man muss sein Doktorat nicht unbedingt in BWL gemacht haben, um erfolgreich bei Roland Berger wirken zu können. - Beispiel: Der erst heuer in den Aufsichtsrat des Unternehmens berufene langjährige Geschäftsführer der Österreich-Niederlassung, Manfred Reichl, ein gelernter Bauingenieur, stieß vor fünfzehn Jahren dazu, nachdem er bei Porr ebenso wie bei Hewlett-Packard gewesen war.

Was tun?

Eine Lösung sollte in diesen zwei Tagen für folgendes Problem gefunden werden: Ein Handelsunternehmen hat in einigen Bereichen Schwierigkeiten - die Gewinne stagnieren trotz größerer Verkaufsfläche und gestiegenen Umsatzes, das Ebit sinkt, die internationale Konkurrenz wird stärker, die Preise verfallen allgemein in der spezifischen Branche, und auch der Aktienkurs des Unternehmens ist rückläufig.

Was tun? Diese Aufgabe soll nun von den 15 hoffnungsfrohen künftigen Beratern in drei Gruppen gelöst werden. So als ob der Auftrag nicht an Roland Berger, sondern an sie ergangen wäre - "Starmania in Businesskultur". Unterlagen über das Unternehmen und über den speziellen Markt wurden ebenso ausgeteilt wie die Grundzüge der Präsentationserstellung erklärt.

Drei Stunden am Vormittag, ein köstliches Mittagessen, und weiter geht's die nächsten drei Stunden in den Nachmittag, die Köpfe rauchen, Selbstdarsteller treten vor, werden zurückgedrängt, Gruppen bilden und verlieren sich, auffällig die meist ruhige und konzentrierte Arbeit der wenigen weiblichen Berater in spe - die Wandlung vom Studenten zum Consultant vollzieht sich unmerklich. Vor dem Abendessen noch eine kurze Einführung von Österreich-Chef Reichl über die Geheimnisse seines Metiers: Die Rolle des Beraters, dass er gescheiter sei als der Kunde, das stimme nicht (mehr). "Die Wertschöpfung des Beraters ist etwa seine Objektivität, sein branchenübergreifendes Know-how und seine spezifische Problemlösungserfahrung." Deftig geht's nach kurzer Nacht bei einem Bauernfrühstück weiter, ehe die letzten drei Stunden bis zur eigenen Präsentation bleiben.

Der Endspurt

Endlich ist es so weit: Das Ergebnis harter Arbeit liegt vor, unterschiedlich, aber ähnlich in der allgemeinen Betonung der Notwendigkeit verstärkter Kundensegmentierung und differenzierter Services. Um sich dann von Ko-Geschäftsführer Roland Falb sagen zu lassen, dass man mit mehr Service mehr Kosten, aber kaum mehr Umsatz machen kann. Die Lösung laut Roland Berger: den so genannten "Heavy User" stärker ansprechen. Wodurch? Durch Einführung eines Zielgruppenmanagements für diese Anwender wie etwa durch Kundenkarte und auch durch eine Vergrößerung der Fläche. Drei Monate haben die Experten für diese Lösung gebraucht, und die Umsetzung ist auch erfolgreich angelaufen. Die in zwei Tagen gefundenen Lösungen des Nachwuchses wären es wohl nicht gewesen. Dennoch - am Ende waren alle zufrieden, und mit einer freundlich gestimmten Aufforderung "Bewerben Sie sich bei Roland Berger!" geht's zurück nach Wien. (DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.5.2003, pest)