Ortschefin Michaela Vogl (Liste VP) nennt Gießhübl einen "Wohn-Schlaf-Ort", dessen Bewohner "nicht unbedingt daran interessiert sind, rauszugehen und diesen Ort als Dorf zu erleben".

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STANDARD: Gießhübl hat die kaufkräftigsten Bewohner Österreichs außerhalb des 1. Bezirks in Wien. Was bringt es Ihnen als Ortschefin?

Vogl: Leider überhaupt nichts. Wir können auch nicht mehr Abgaben verlangen als andere Gemeinden. Wir sind sogar sehr vorsichtig mit Erhöhungen. Es bringt lediglich, dass, wenn man erhöht - wie letztes Jahr -, der Aufschrei kaum vorhanden ist. Weil sich die Leute leisten können, mehr zu bezahlen.

STANDARD: Die Gemeinde musste den Gürtel aber enger schnallen.

Vogl: Wir haben letztes Jahr ein extremes Sparprogramm gefahren und bei Ausgaben von 200 Euro schon überlegt, ob wir sie tätigen.

STANDARD: Sie wollen das Gebäude, in dem sich die Musikschule befindet, verkaufen. Warum?

Vogl: Das Haus ist sehr desolat, und wir brauchen das Geld, um eine andere Immobilie zu sanieren oder neu zu bauen. Wir haben auch das Budget nicht, Straßen um eine Million Euro, und da ist man im Straßenbau schnell, zu errichten. Wir verkaufen jetzt das Tafelsilber - leider. Wir haben in den letzten Jahren alle Großprojekte durch Immobilien- oder Liegenschaftsverkäufe finanziert.

STANDARD: Warum ist der finanzielle Spielraum so klein?

Vogl: Wir haben zu wenige Betriebe und dadurch zu wenig Kommunalabgaben. Das ist Körberlgeld, das, ohne viel zu tun, in die Gemeindekasse fließt. Wir haben auch den Platz nicht, Betriebe anzusiedeln. Gießhübl ist einfach ein Wohn-Schlaf-Ort.

STANDARD: Wieso tun die Gießhübler in ihrem Ort nicht mehr als das?

Vogl: Hier wohnen Leute mit hoher Kaufkraft, die nicht unbedingt daran interessiert sind, rauszugehen und diesen Ort als Dorf zu erleben. Der andere Lebensmittelpunkt ist natürlich in Wien. Die Nähe zu Wien ist ein irrsinniges Problem. Es wird hier auch das gastronomische Angebot wenig angenommen.

STANDARD: Trotz reicher Bewohner?

Vogl: Es gibt Betriebe, die ganz gut gehen. Aber wir haben zum Beispiel am Perlhof einen Gastronomiebetrieb, der nicht funktioniert, egal mit welchem Pächter.

STANDARD: 2010 hat Gießhübl rund 80.000 Euro Bedarfszuweisungen vom Land erhalten. Wofür?

Vogl: Das war, weil wir unseren ordentlichen Haushalt 2010 im Voranschlag nicht decken konnten. Wir haben im Rechnungsabschluss dann unerwarteterweise einen Überschuss erwirtschaftet. Dieses Jahr wird es sich ausgehen.

STANDARD: Von SPÖ-Seite wurde das Ansuchprozedere um Bedarfszuweisungen beim Landeshauptmann als "Scheitelknien" bezeichnet. Wie sehen Sie das?

Vogl: Wenn ich bei einer Bank einen Kredit brauche, muss ich auch hingehen. Ich bin mir nicht zu gut, um einen Zuschuss betteln zu gehen für die Gemeinde. Ich war auch dort, als ich um Haushaltshilfe angesucht habe.

STANDARD: Braucht es mehr Transparenz bei den Gemeindebudgets, wie der Rechnungshof meint?

Vogl: Ich wüsste nicht, was man mehr an Transparenz braucht. Es gibt einen Rechnungsabschluss, der öffentlich ist. Es gibt Nachtragsvoranschläge, wo - gerade was die Schulden angeht - alles sehr genau aufgeschlüsselt ist. Wir haben auch vom Land immer wieder Prüfungen. Bei uns war das letztes Jahr der Fall und hat circa eine Woche gedauert. Wenn jetzt auch noch der Prüfer vom Rechnungshof eine Woche bei uns säße, tät's mir weh. Wenn man sparsam arbeiten möchte, sind einem diese Stunden das nicht wert.

STANDARD: Derzeit verschieben Sie Großprojekte. Wie geht es weiter?

Vogl: Ich hoffe, dass wir mehr Ertragsanteile bekommen - was auch heuer schon der Fall ist. Und wir haben in der Verwaltung viel eingespart und können sehr schlank und effizient arbeiten.

STANDARD: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Ihre Bürger zum Beispiel für eine Straßensanierung um Spenden zu bitten?

Vogl: Im Scherz hab ich das schon einmal überlegt. Im Moment wissen wir, wir werden es die nächsten Jahre schaffen. Ich denke, das macht man als Gemeinde erst, wenn es einem so schlecht geht, dass man's argumentieren kann.
Michaela Vogl (43) ist seit 2010 Bürgermeisterin von Gießhübl (Liste ÖVP). Die Einwohner der Speckgürtel-Gemeinde im Bezirk Mödling gehören zu den finanzkräftigsten Bürgern Österreichs. (Gudrun Springer, STANDARD-Printausgabe, 18./19.6.2011)