Reiseanbieter für ältere Menschen wachsen wie die sprichwörtlichen Schwammerln aus dem Boden. Zwar heißen die Marktführer noch unverblümt Seniorenreisen oder haben etwas dezenter die Zahlen 50 oder 60 im Firmennamen, die neuen auf dem Markt sprechen aber nicht über das Alter, spielen lieber mit Reizworten wie "Elan" und "vital". Will man die "Best Ager" oder den "Silber Markt" erreichen, lässt man Attribute, die auf das Alter hinweisen, lieber weg. Etikettierungen wie "Generation 50 plus" haben sich längst überholt. Tourismusexperten wissen, dass man 55-jährige Werktätige nicht mit 65-jährigen Pensionisten, die über Endlosfreizeit verfügen, in einen Zielgruppentopf werfen kann. Als homogene Gruppe werden Menschen über 50 nur noch von der Statistik gesehen. Diese rechnet, dass 2020 in Europa 42 Prozent über 50-Jährige leben werden, und weist aus, dass die über 50-jährigen Österreicher aktuell jährlich über eine Kaufkraft von 18 Milliarden Euro verfügen.

Diese "reifen Menschen" sieht die Reisebranche als Hoffnungsmarkt. "Das hat sich die letzten zehn Jahre sehr verändert", sagt Otto Späll, Geschäftsführer von SeniorenReisen, "jeder Veranstalter stürzt sich nun auf die ältere Generation." Ob die alternden Babyboomer tatsächlich demografisch bedingte Markteinbrüche wettmachen werden, ist noch fraglich. Bei den Gruppenreisen sei Stagnation zu bemerken, sagt Späll und führt das auf die fortschreitende Individualisierung unserer Gesellschaft zurück. Von einem Auslaufmodell spreche man seit Jahren, "aber die Unkenrufe sind bis jetzt nicht wahr geworden". Die klassische Seniorenreise mit medizinischer Betreuung fragen vor allem Menschen ab 70 nach, für Jüngere sei der Sicherheitsfaktor weniger wichtig, so Späll.

Das Angebot für die inhomogene Gruppe der älteren Reiselustigen muss differenziert werden, raten Experten. Das klinge logisch, sagt Praktiker Späll, "wenn sie mich aber fragen, wie, dann weiß ich noch keine Antwort. Da muss man noch intensiv nachdenken." Die Österreich Werbung ließ ihre Tourismusforschung die Bedürfnisse der "60 Plus-Urlauber" erheben: Durchschnittlich 65 Jahre alt, reisen sie am liebsten mit Partner/Partnerin oder im Familienverband. Man vertraut dem örtlichen Reisebüro oder Tipps aus dem Bekanntenkreis, Internet ist unwesentlich. Gereist wird individuell und am liebsten im eigenen Auto. Im Urlaub will man sich erholen, entspannen, aber auch aktiv sein. Gesundheit und Wohlbefinden haben hohen Stellenwert. Der Urlaub soll aber nicht zu viel kosten - ausgeben werden durchschnittlich 111 Euro täglich, die Anreise eingerechnet.

Diese jungen Alten sind bis 2030 der Wachstumsmarkt, rechnet der Kölner Tourismusexperte Torsten Widmann. Um der Zielgruppe (die heute 45-Jährigen) gerecht zu werden, müsse man zunehmende Reiseerfahrung, Bildung und Sprachkenntnisse berücksichtigen und entsprechend hochwertige Angebote entwickeln. (Jutta Berger/DER STANDARD/Rondo/17.06.2011)