Ein Schritt vorwärts zwei zurück. Stillstand kann man der Koalition wahrlich nicht vorwerfen, immerhin bewegt sie sich. In vielen Fällen aber im Kreis. Ein anschauliches Beispiel ist die Debatte rund ums Sitzenbleiben. Am Dienstag vergangener Woche präsentierten Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) und ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon noch in Eintracht ihre Pläne für die neue Oberstufe. Fünf Tage später wird das Konzept von Amon wieder hinterfragt und teilweise zurückgezogen. Es sei noch nicht sicher, ob man wirklich mit drei Fünfern in die nächste Klasse aufsteigen könne, so der Abgeordnete. 

Rückzieher der ÖVP

Bei der Präsentation der neuen Oberstufe schien es, als ob sich die Regierungsparteien endlich auf eine Reform geeinigt hätten. Kaum kommt Kritik aus den ÖVP-regierten Ländern und aus Umfragen geht die ÖVP aber wieder einen Schritt zurück. In der "Kronenzeitung" hieß es, dass "aus dem Umfeld" von ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger der Reformvorschlag nicht "als der Weisheit letzter Schluss" gesehen wird. Und dann wundert sich die Regierung, wenn die Medien vom "Stillstand" in der Regierung schreiben. 

Verwirrung der Bevölkerung

Anstatt neunzig Punkte aufzulisten, die sie umsetzen will, sollte die Koalition besser Fälle wie diese vermeiden und sich auf solch wichtige Reformvorhaben einigen, bevor sie groß verkündet werden. Abgesehen vom schlechten Bild von der Koalition, das durch solche Debatten hervorgerufen wird, führen sie auch zu Verwirrung in der Bevölkerung. Junge Männer haben sich Anfang des Jahres schon darauf eingestellt, dass sie vielleicht keinen Wehrdienst leisten müssen. Schüler und Schülerinnen haben gelesen, dass sie mit drei Fünfern aufsteigen werden können. Nun wird die Wehrpflicht wahrscheinlich doch nicht abgeschafft und ab wie vielen Fünfern man sitzenbleibt, ist auch nicht mehr sicher.

Mehr Mut von Politikern

Ein konsequenteres Vorgehen der Regierung wäre wünschenswert. Nicht nur um Verwirrung zu vermeiden, sondern auch um zu vermitteln, dass sie arbeitet und nicht streitet. Politiker wie Werner Amon sollten sich öfter trauen, Reformen auch gegen die Meinung mancher Teile der Bevölkerung oder der Partei durchzuführen. Nur so wird den Politikern die Bevölkerung auch abnehmen, dass tatsächlich etwas weitergeht. Regierungsklausuren und andere Inszenierungen sind dann nicht mehr nötig. (Lisa Aigner, derStandard.at, 20.6.2011)