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Das Geburtshaus Hitlers in Braunau am Inn.

Foto: APA/Rubra

Wien/Graz/Mariazell/Braunau - Ausgerechnet in Braunau, also in jener Stadt, die zu traurigem Ruhm kam, weil sie die Geburtsstadt Adolf Hitlers war, dürfte der Diktator formell gesehen noch immer Ehrenbürger sein. "Ja, wir müssen uns das jetzt genau ansehen", sagt Gerald Sturmayr vom Stadtamt Braunau im Gespräch mit dem Standard. "Es gibt in der Literatur einige Hinweise darauf." Mit Literatur sind Zeitungsartikel aus dem Jahr 1938 gemeint, in denen kurz nach dem Anschluss auch von der Verleihung des Heimatrechtes an Hitler berichtet wird. (Hitler wurde die Staatsbürgerschaft in Österreich aberkannt, weil er 1914 für das deutsche Kaiserreich in den Krieg gezogen war.) "Die Neue Warte und auch ein schon in den 1980er-Jahren erschienenes Buch" zeugten davon, so Sturmayr.

Doch auch in einem Artikel in der Linzer Tages Post vom 22. März 1938, der dem Standard vorliegt, findet man folgende Meldung: "Nach Braunau am Inn hat als zweite Gemeinde des Innviertels die Gemeinde Maria Schmolln, Gerichtsbezirk Mauerkirchen, den einstimmigen Beschluss gefasst, den Führer und Reichskanzler zum Ehrenbürger zu ernennen."

Sturmayr räumt ein, diese Ernennung nicht beweisen zu können. "Alle Gemeinderatsprotokolle von 1938 bis 1945 wurden leider vernichtet." Fest stehe aber, dass es nach 1945 keine Aberkennung gab. Man werde nun das Stadtarchiv durchforsten, doch das könne "mehrere Wochen dauern, weil es in einem anderen Gebäude ist und nicht hauptamtlich geführt wird", bedauert Sturmayr.

Auf ihren berühmten Ehrenbürger gestoßen wurde die Stadt Braunau vom Grünen-Nationalratsabgeordneten Karl Öllinger, der erfreut über die "offene Reaktion der Stadt" ist. Öllingers Gespräch mit dem ÖVP-Bürgermeister Johannes Waidbacher, der sich derzeit auf Urlaub befindet, sei "sehr positiv gewesen", so Öllinger: "Er hat glaubhaft versichert, dass er das aufarbeiten lassen wird. Es wäre schön, wenn andere Gemeinden auch so mit ihrer Geschichte umgehen würden."

Öllinger hat sich in der Vergangenheit nicht nur Freunde unter jenen österreichischen Bürgermeistern gemacht, denen er eine bestehende Ehrenbürgerschaft für Adolf Hitler vorgeworfen hatte. So empörte man sich etwa in Kufstein darüber, dass Hitler dort gar nie Ehrenbürger gewesen sei - obwohl das im Zuge einer Initiative im benachbarten Kramsach, wo man sich von der Ehrenbürgerschaft Hitlers zumindest distanzierte, behauptete wurde.

Auch der SPÖ-Bürgermeister der Gemeinde Schalchen im Innkreis, Stefan Fuchs, entrüstete sich zuletzt über Vorwürfe Öllingers. Denn man habe die Ehrenbürgerschaft für Hitler in Schalchen doch schon 1998 aberkannt. Öllinger will das aber erst glauben, wenn Fuchs ihm den Beschluss zeigt.

Das Argument, die Ehrenbürgerschaft sei nach dem Tod des Geehrten ohnehin hinfällig, überzeugte offensichtlich nicht alle Gemeinden in Österreich davon, nach 1945 untätig zu sein. Besonders eilig hatte man es im Wallfahrtsort Mariazell, Hitler als Ehrenbürger loszuwerden. Der interimistische Bürgermeister und sein Gremium sorgten schon am 10. Mai 1945 dafür, dass Hitler hier kein Ehrenbürger mehr sein durfte. Damals war der "Führer" immerhin auch schon über eine Woche tot. Dafür wurde Otto von Habsburg 1992 wieder Ehrenbürger. "Gottseidank", setzt Andreas Schweighofer vom Stadtamt Mariazell nach, wo man auch den aktuellen Papst, Joseph Ratzinger, und seinen Vorgänger, Karol Wojtyla, als Ehrenbürger führt. Dass jemand dieser Herren nach ihrem Tod aus der Liste der Ehrenbürger gestrichen werde, ist für Schweighofer "natürlich nicht denkbar".

"Schwamm drüber"

Warum man hier Hitler die Ehrenbürgerschaft aberkannte, obwohl er schon tot war? Schweighofer glaubt, das hatte auch mit dem "in der NS-Zeit sehr aktiven Mariazeller Bürgermeister Josef Scheucher zu tun". Dieser wurde nach dem Krieg verhaftet, da habe man sich wohl gedacht, "Schwamm drüber, um sich dann doch wieder auf seine christlichen Wurzeln zu besinnen und die Wallfahrt zu forcieren."

Am anderen Ende der Steiermark, im südsteirischen Leibnitz, wurde Hitlers Ehrenbürgerschaft 1995 annulliert. Auch hier dauerte es länger, weil die Stadt immer wieder auf die Nichtigkeit der Ehrenbürgerschaft nach dem Tod hinwies. Leibnitz hatte Hitler und dem deutschen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft schon 1933 verliehen. Dem Vernehmen nach kam der Fall erst ins Rollen, weil ein bekannter Sohn der Stadt, der Profi-Tennisspieler Thomas Muster, die Ehrenbürgerschaft zuerst nicht annehmen wollte. Er habe nicht mit Adolf Hitler auf einer Liste stehen wollen. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, Printausgabe, 21.6.2011)