So ziemlich jeder hat die Erkenntnis schon einmal von sich gegeben, dass die Paradeiser von heute ja nach nichts mehr schmecken, dass uns die holländischen Glashäuser das wahrhaftige Aroma raubten, dass das früher mit den Paradeisern vom Misthaufen alles noch ganz anders und dass die Sommer früher heißer und die Winter früher schneereicher waren. Gekauft werden sie trotzdem, die "Fleischtomaten", die aber nach brackigem Wasser schmecken, und die hübschen Rispentomaten, die im besten Fall nach Rispen schmecken, und zwar auch zu tiefster Winterszeit, und zwar besonders dann, wenn sie makellos rot und rund sind. Aber so sind wir eben.

Helga Buchter-Weisbrodt brachte jetzt ein Buch heraus, das erfreulicherweise derartige Allgemeinplätze vermeidet und stattdessen von Herkunft, Geschichte und bioaktiver Wirkung des Paradeisers berichtet (wenngleich die Story von Christoph Columbus und dem Ursprung als Zierpflanze ein Mal auch genug gewesen wäre, die dreimalige Wiederholung macht's nicht gerade spannender). Besonders wertvoll sind die Anleitungen zur Aufzucht, und äußerst erfreulich für Freunde der roten Frucht das Kapitel mit der reich bebilderten Formen- und Artenvielfalt, in dem wir von Ochsenherz, weißer Schönheit , Gnom und Kremser Perle zu lesen bekommen. Ebenfalls nicht von schlechten Eltern ist die Auflistung der gesundheitlichen Effekte des Paradeiser-Verzehrs, man erfährt hier, dass außer in der rosa Grapefruit nirgendwo so viel Lykopin drin ist wie in der Tomate, und dieser Stoff schützt uns dem Vernehmen nach sowohl vor Krebs als auch vor Erblindung im Alter. Außerdem enthalten: Tyramin, das uns froh und munter macht, und sonst noch so manche Stoffe, die uns ganz unglaublich gut tun. Im Vergleich zur üppigen Sortenkunde wird man in Sachen Information um Tomaten-Produkte dann ein bisschen kurz gehalten, gerade auf die Qualitätsunterschiede bei sonnengetrockneten Tomaten hinzuweisen, wäre in so einem Buch vielleicht nicht ganz falsch gewesen.

Bei aller Vielfalt ist es dann umso trauriger, dass die aufgelisteten Rezepte eher unoriginell daherkommen (abgesehen davon, dass für Insalata Caprese Balsamico verwendet wird, schwerer Fehler!). Dennoch: Ein Buch für alle, die gerne rot sehen. (Der Standard/rondo/Florian Holzer/23/5/2003)