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Grafik: APA

Paris/Wien – Die Freigabe von 60 Millionen Barrel aus den strategischen Reserven durch die Internationale Energie Agentur (IEA) hatte am Donnerstag zu einer deutlichen Korrektur der Ölpreise geführt. Die Ölpreise haben sich am frühen Freitagnachmittag gegenüber dem Vortag erneut mit Kursverlusten präsentiert.

Nach einem schwachen Konjunkturausblick der US-Notenbank Fed am Mittwoch hat der Ölpreis eine Talfahrt aufgenommen. Alle Schleusen öffneten sich schließlich, als die Internationale Energieagentur (IEA) Donnerstag Nachmittag auch noch ankündigte, 60 Millionen Barrel an Rohöl auf den Markt zu werfen, um damit die Förderausfälle aus dem kriegsgebeutelten Libyen auszugleichen. Der Preis der Nordsee-Sorte Brent fiel um bis zu sechs Prozent.

"Nur kurzfristige Auswirkungen" bzw. "sinnlose Aktion"

Analysten interpretierten die Aktion unterschiedlich. "Es ist klar, dass nach so einer Meldung die Kurse reagieren. Innerhalb von einem Tag ist der Kurs der US-Sorte WTI von 95,4 auf 91 gesunken. Das hat sich durchaus signifikant ausgewirkt", sagte Erste-Group-Analyst Christoph Schultes zu derStandard.at, betonte aber gleichzeitig, dass dies nur kurzfristige Folgen hätte. "Mittel- bis langfristg sehen wir da eher keine signifikanten Auswirkungen", sagt Schultes.

"Es war wichtig, dass man der Preisspirale das Genick gebrochen hat – die jüngsten inflationären Anstiege werden vermutlich jetzt wieder ungeschehen gemacht", meinte wiederum Edward Meyer, Analyst bei MF Global in New York.

Für den Ölmarkt-Experten Johannes Benigni von der in Wien sitzenden Beratungsfirma JBC Energy geht die Freigabe der 60 Millionen Barrel entweder auf eine "eklatante Fehleinschätzung durch die IEA zurück", oder sie sei als "Markteingriff erster Güte" zu werten. Die Entscheidung könne "wie auch Interventionen von Zentralbanken nach hinten losgehen", sagte der Ölexperte am Freitag.

Die Freigabe sei unter dem Blickwinkel der Versorgung "sinnlos, weil Lieferwege für leichtes Öl in den vergangenen Monaten rekonstruiert worden sind. Der Markt ist damit so gut versorgt wie vor der Libyen-Krise." Hätte die IEA den Schritt vor einigen Monaten gesetzt, "hätte wahrscheinlich jeder Danke gesagt – aber heute?"

"Signal an die Spekulanten"

Seit die US-Notenbank Fed ein weiteres Anleihenkaufprogramm ("Quantitaive Easing 3") ausgeschlossen habe, sei der Ölpreis ohnedies bereits zurückgegangen. Der vielleicht einzig positive Effekt des gestrigen Schritts sei ein Signal an die Spekulanten, dass man eine Veranlagung in den Warenmärkten nicht wünsche: "Man sagt den Investoren damit: Wir (= USA, Anm.) können die Zinsen derzeit nicht erhöhen, wir wollen aber nicht, dass ihr in Dinge wie Öl investiert."

Saudiarabien, das sich nach der letzten OPEC-Sitzung erbötig gemacht habe, die libyschen Ausfälle wettzumachen, sei man "in den Rücken gefallen", man habe es "diskreditiert", so Benigni. "Die Saudis fragen sich jetzt vielleicht, ob es sinnvoll ist, so viel Reservekapazität vorzuhalten, wenn der Markt ohnedies anderweitig versorgt werden kann".

Unruhen

Die IEA will wegen der Unruhen in Libyen die strategischen Ölreserven ihrer Mitgliedsstaaten anzapfen und so 60 Millionen Barrel (je 159 Liter) Erdöl auf den Markt bringen. Es ist erst das dritte Mal in der Geschichte der Organisation, dass die Mitgliedsländer dies tun. Die IEA begründete den überraschenden Schritt damit, dass die Ausfälle in Libyen stärker seien als bisher angenommen. Zudem könnte der im Sommer übliche Anstieg der Nachfrage in den Ölraffinerien zu Engpässen führen. In der Organisation haben sich 28 Länder zusammengeschlossen, um nach den Erfahrungen der Ölkrise in den 1970er-Jahren ihre Versorgung sicherzustellen.

Alleine 30 Millionen Barrel stellen die USA zur Verfügung. Dazu zapfen sie ihre strategischen Ölreserven an, wie das Energieministerium erklärte. Die Reserven seien derzeit auf einem historischen Höchststand von 727 Millionen Barrel. Das Öl gelangt nach und nach in den kommenden 30 Tagen auf den Markt. "Wir werden die Situation weiter beobachten und stehen für zusätzlich nötige Schritte bereit", sagte Energieminister Steven Chu.

Der weltweit drittgrößte Ölkonsument Japan will 7,9 Millionen Barrel beisteuern, Südkorea knapp 3,5 Millionen Barrel. Neben Japan und Südkorea sind im asiatisch-pazifischen Raum noch Australien und Neuseeland Mitglied der IEA. Beide teilten am Freitag mit, sich an der Aktion nicht zu beteiligen.

Österreich zapft seine Ölreserven nicht an

Auch Österreich wird seine strategischen Reserven nicht anzapfen, ließ der für Energiefragen zuständige Minister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) erklären. Weil Österreich nur weniger als ein Prozent der angestrebten 60 Millionen Barrel freigeben müsste, verzichtet die IEA auf einen österreichischen Beitrag, hieß es am Freitag aus dem Wirtschaftsministerium. "Österreich hält seine Notstandsreserven grundsätzlich für tatsächliche physische Engpässe bereit, die es aber trotz der Folgen der Libyen-Krise nicht gibt", so Mitterlehner.

Österreich muss mindestens 90 Tage seiner Vorjahresnettoimporte als Pflichtnotstandsreserve vorhalten. Diese internationale Auflage – als Mitglied von IEA und EU – wird laut Ministerium derzeit übererfüllt: Mit Ende März hatte die Alpenrepublik rund 116 Tage des Vorjahresverbrauchs auf Lager. Das entspricht circa 3,1 Millionen Tonnen bzw. 19,5 Millionen Barrel. Dabei handelt es sich um kommerzielle Ölreserven, zu denen die Erdöl-Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind. Österreich hatte im Oktober 2005 als Teil einer internationalen koordinierten Aktion 430.000 Barrel aus seinen strategischen Reserven freigegeben.

Der ÖAMTC forderte heute mit Verweis auf die fallenden Rohölpreise eine Senkung der Zapfsäulenpreise um mindestens 3 Cent je Liter. (APA/Reuters/red)